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Erfahrungsbericht einer Mutter

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Unser Sohn ist jetzt 4 ½ Jahre alt und leidet seit dem zweiten Lebensmonat an Neurodermitis. Schon als Säugling hatte er großflächig aufgekratzte Hautstellen, die ahnen ließen, dass es sich bei ihm um eine schwerere Form der Neurodermitis handelt. In beiden Familien der Eltern sind Neurodermitis, Heuschnupfen, Asthma und/oder Schuppenfläche seit Generationen bekannt, die familiäre Erblast ist dadurch sehr hoch. Weiterhin war die Schwangerschaft mit D. schwer, ich hatte eine tiefe Becken-Bein-Thrombose mit einer kleinen Lungenembolie. Neben den Ängsten (bis hin zu Todesängsten), die sich mit Sicherheit auf meinen Sohn übertragen haben, musste ich starke Medikamente nehmen, die zunächst angeblich nicht schädigend für das Kind waren, aber sicherlich eine Belastung darstellten.

Neben den Hauterscheinungen leidet D. seit seinem zweiten Lebensjahr auch an Asthma, was zunächst nur auf die Frühpollenzeit begrenzt war und sich mittlerweile über das ganze Jahr hinzieht. Dies ist unter anderem der Grund dafür, warum wir Cortisonsalben oder Protopic ablehnen. Zwar würde sich seine Hauptproblematik bei Behandlung mit solchen Präparaten (kurzfristig?) lösen, aber sein Asthma wäre nicht geheilt. Eine Verschlechterung wäre eher wahrscheinlich. Seit November letzten Jahres hat sich sein Allgemeinzustand immer stärker verschlechtert und hat vor zwei bis drei Monaten einen Höhepunkt erreicht, der hoffentlich im Moment wieder am abflauen ist.

Meine Aufzeichnungen beleuchten verschiedene Aspekte, die mir besonders wichtig erscheinen. Ich beschreibe die Dinge, die uns am meisten zu schaffen machen. Viele Aspekte sind uns erst in den letzten Wochen bewusst geworden sind, machen es uns aber nur zum Teil einfacher, mit der Situation umzugehen.

Nachdem in meiner Familie Neurodermitis bekannt ist und ich selbst stark an Heuschnupfen und im Frühjahr auch an Asthma leide, konnte ich die ersten Jahre der Krankheit von D. relativ gelassen tragen. Ich habe von Anfang an immer nach Absprache mit meinem Mann nach therapeutischer Hilfe gesucht und auch vieles ausprobiert, wobei wir eigentlich immer versucht haben, eine homöopathische Lösung zu finden. In den ersten zwei Jahren hat dies relativ gut funktioniert. D. bekam keine Schulmedizin (außer zwei Impfungen). Allerdings war das Problem immer, einen guten Homöopathen zu finden. Wir wohnten damals in Hannover, und in den ersten paar Lebensmonaten von D. fuhren wir immer mit dem Zug nach Würzburg, weil dort damals ein wirklicher Neurodermitisspezialist praktizierte. Allerdings wurde uns bald bewusst, dass für eine dauerhafte homöopathische Begleitung unseres Sohnes jemand vor Ort sein muss, weil die Strapaze für D. und mich und die Kosten für uns zu hoch waren. Außerdem enttäuschte uns der Homöopath menschlich, so dass die Vertrauensbasis bald nicht mehr gegeben war. Die Empfehlung einer Spezialistin in Hannover erwies sich als nicht so gut, was allerdings nicht so entscheidend war, weil wir nach Hamburg umgezogen sind. Hier verlief die Suche nach einer geeigneten TherapeutIn zunächst allerdings auch nicht so glücklich. Die Ärztin, die D. behandelte, war mit ihm (die Neurodermitis war schon weit fortgeschritten) aus unserer Sicht völlig überfordert. Sie war sich sehr unsicher, was sich dadurch zeigte, dass er innerhalb von kürzester Zeit viele verschiedene Globuli bekam und eigentlich überhaupt nicht mehr gesagt werden konnte, was wie wirkte.

In der Zwischenzeit verschlechterte sich der Zustand von D. (inzwischen ca. zweieinhalb Jahre alt) allerdings so sehr, dass wir ihm nach Absprache mit dem Kinderarzt Antihistaminika (Zyrtec), Fenistil, DNCG und bronchienerweiternde Mittel verabreicht haben, was immer nur vorübergehend geholfen hat. D. bekam in der Folgezeit immer wieder eine spastische Bronchitis, war und ist sehr anfällig für jegliche Infekte. Obwohl der Kinderarzt der Homöopathie nahe steht, verschrieb er D. häufig schulmedizinische Präparate, weil es ihm so schlecht ging. Letztes Jahr im Sommer ist uns das erste Mal sehr deutlich geworden, wie viele verschiedene Medikamente er dabei schon erhalten hat und wie fixiert das Kind auf Tabletten oder Tropfen war. Manchmal hat er uns unvermittelt nach einer Tablette gefragt, so wie andere Kinder vielleicht nach einem Bonbon verlangen. Obwohl wir im folgenden versuchten, den Arzneikonsum einzustellen, war es nicht möglich, beispielsweise den Zyrtecsaft oder die DNCG-Tropfen und bronchienerweiternden Medikamente zum Inhalieren ganz wegzulassen.

Seit D. Asthma hat, begann für uns die Zeit der ‚Therapiereisen’: Von meinem Bruder erfuhr ich von einem Laserspezialisten in der Nähe von München, der angeblich Kinder von Neurodermitis und Asthma befreit. Also bin ich mit D. drei mal in vier Monaten von Hamburg nach München gefahren, um D. dort für je 10 Minuten behandeln zu lassen. Der Arzt meinte, dass nach drei bis viermal D. geheilt sein könnte. Zwar konnten wir eine vorübergehende Verbesserung seines Zustandes sehen, geheilt war er allerdings nicht. Nachdem ich in der Zeit bereits mit unserer zweiten Tochter schwanger war, waren die Fahrten für mich besonders anstrengend, die letzte Fahrt lag fünf Wochen vor der Entbindung. Danach mussten wir zunächst eine Pause einlegen. Damit war die Wirkung der ersten drei Behandlungen angeblich hinfällig, und der Arzt erzählte uns am Telephon, dass ein komplett neuer Zyklus nötig sei, und eventuell auch ein zweiter und schlimmstenfalls dritter – also vier bis 12 Behandlungen, jeweils verbunden mit einer Reise von Hamburg nach Süddeutschland. Wir entschieden uns dagegen, da das mit zwei Kindern nicht mehr durchführbar war.

Ziemlich zeitgleich erfuhren wir von einem Arzt in Niedersachsen, der eine ähnliche und sehr erfolgreiche Behandlung mit Laserpunktion durchführen würde. Marke: Wunderheiler. Also bin ich mit D. und unserer kleinen Tochter ab ihrem vierten Lebensmonat über 30 mal von Hamburg nach P. gefahren (einfache Strecke zwei Stunden mit dem Auto, ohne Pause) und hofften, eine Verbesserung zu erreichen. Anfangs wurde uns von dem Arzt versprochen, dass er nach 15 bis 20 Behandlungen eine hundertprozentige Heilung erreichen würde. 20 Behandlungen hätten 10 Fahrten bedeutet, da mit einer vierstündigen Pause zwei Sitzungen pro Tag hätte stattfinden können, was für uns akzeptabel war. Bei D. haben die 20 Behandlungen nicht ausgereicht und nachdem uns immer wieder versprochen wurde, bald würde der Durchbruch stattfinden, schaffte wir es ca. 66 Sitzungen durchzustehen (d.h. 33 Fahrten nach P.). Der gesundheitliche Zustand von D. verschlechterte sich dabei ganz entscheidend und irgendwann brach ich dann auf Drängen meines Mannes die Behandlung ab. Dieser Schritt fiel mir schwer: Ich steckte mittlerweile soviel Energie (von den Kosten ganz zu schweigen) in die Behandlung und konnte dadurch gar nicht wahrnehmen, dass das alles nicht gut für D. war. Jetzt drei Monate nach Beendigung dieses Marathons wird mir erst deutlich, dass mit meiner Verzweiflung und Hoffnung gespielt wurde und die ganze Sache eine unseriöse Angelegenheit war. Vielleicht hat dieser Arzt sogar schon Menschen geholfen, aber bei D., meiner Tochter (die ebenfalls mittlerweile die ersten Anzeichen einer Neurodermitis hat) und mir, hat die Therapie nichts gebracht.
 
Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen entschieden wir: keine Arztbesuche mehr außerhalb Hamburgs und keine Hoffnung mehr in sogenannte Wunderheiler!

Inzwischen sind wir mit D. bei einer Homöopathin in Hamburg, die keine ausgewiesene Neurodermitis-Spezialistin ist, aber immerhin einen authentischen Eindruck in ihrer Behandlung hinterlässt. D.h. wir glauben ihr, dass sie meint, was sie sagt, und weiß, was sie tut. Sie probiert nicht alles auf einmal, guckt ganzheitlich, rät zur Geduld, verspricht keine Wunder, geht auf unsere Sorgen ein. Wahrscheinlich würde sie sogar zugeben, wenn sie mit ihrem Latein am Ende angekommen ist. Ihr selbst ist es zugegebenerweise ein Rätsel, dass ihre Behandlung bisher so wenig anschlägt und tippt auf eine psychologische Blockade. Daran arbeiten wir jetzt also auch. Der Allgemeinzustand von D. hat sich allerdings nicht entscheidend gebessert. Er ist zwar erfreulicherweise von den Antihistaminika, den DNCG-Tropfen und bronchienerweiternden Medikamenten weg, aber die Symptome bei Haut und Asthma sind wie immer. Das Problem: um zu wissen, ob wir mit den Methoden und Mitteln dieser Frau Erfolg haben werden, d.h. D. langfristig zumindest eine deutliche Besserung der Haut und des Asthmas erfährt, werden wieder einige Monate vergehen, und die Angst ist groß, dass es dann beim nächsten ‚Tipp’ wieder von vorne los geht.

D.s Allgemeinzustand ist seit einem Jahr so schlecht, dass wir zunehmend weniger verreisen. Der P.-Schlamassel hat uns die letzten Reserven geraubt. Dann verliefen auch zwei Urlaubsfahrten (obwohl sie am Meer – Mittelmeer und Ostsee waren) eher wenig erholsam, und Kurztrips zum Beispiel zu den Großeltern (250 km) belasten uns alle. D. ist außerdem weiterhin extrem häufig krank und insgesamt sehr geschwächt. Er hat abgenommen und ist lange nicht mehr so kräftig wie früher. Er braucht sehr viel Schlaf am Tag, weil er nachts durch Juck- und Asthmaanfälle häufig wach ist. Im Grunde genommen kann er sich gar nicht richtig entwickeln. So konnte er beispielsweise bereits mit drei Jahren ohne Stützen Fahrrad fahren, was er auch liebt. Leider war ihm dies diesen Sommer meistens gar nicht möglich, da ihm die Kraft fehlte und die offenen Kniekehlen schmerzten. Teilweise fuhren wir ihn wieder im Kinderwagen durch die Gegend, damit er überhaupt etwas draußen sein konnte. Dadurch konnte ich wochentags manchmal gar nicht mit den Kindern raus, da der Kinderwagen für unsere Tochter belegt ist und wir keine Geschwisterkarre kaufen wollten Auch seine Freizeitaktivitäten beschränken sich auf ein Minimum. Vom Sport meldeten wir ihn wieder ab, da dies zu anstrengend ist. Freunde kann er auch nur sehr bedingt besuchen. Nach dem Kindergarten benötigt er zunächst einen Mittagsschlaf. Bis er danach wieder einigermaßen in die Gänge kommt, ist bereits Abendessenszeit.

Überhaupt ist es schwer, soziale Kontakte zu pflegen. Dadurch, dass wir noch nicht so lange in der Stadt wohnen und häufig zu den Behandlungen unterwegs waren, ist unser soziales Netzwerk nicht so groß. Es bleibt zusätzlich das Problem, dass D. einen anderen Tagesablauf hat als andere Kinder in dem Alter. Erschwerend kommt hinzu, dass er im Moment eine strenge Diät führt. Es gibt unendlich viele Dinge, die er nicht essen darf, und es bleibt immer ein Problem, damit umzugehen. Viele Eltern anderer Kinder haben dafür erstaunlich wenig Verständnis. Bei jedem Besuch müssen wir mit den Eltern absprechen, dass er nur die mitgebrachten Dinge essen darf. Obwohl D. sehr vernünftig ist (manchmal viel zu vernünftig sein muss), fällt es ihm schwer immer zu akzeptieren, dass die anderen Schleckereien bekommen und er nicht. Meistens handhaben wir es so, dass wir, wenn die ganze Familie einen Besuch macht, den Proviant (z.B. Kuchen oder Kekse) mitbringen (wir haben festgestellt, dass wir alle auf ähnliche Dinge reagieren, nur nicht so heftig wie D.), woran sich unsere FreundInnen auch erst gewöhnen mussten und müssen. Für mich bedeutet dies, dass ich, wenn ich mich nicht gerade um die Kinder kümmere, oft in der Küche stehe und irgendetwas vorbereite, da das meiste selbst hergestellt werden muss. Neben dem enormen zusätzlichen Zeitaufwand bedeutet das eine hohe zusätzliche finanzielle Belastung. Viele Produkte sind nur im Bioladen zu bekommen und alles ist um ein Vielfaches teurer als „normale“ Lebensmittel (Schafs-/Ziegenkäse, nur Dinkel ... süße Produkte nur mit Vollrohrzucker, noch nicht mal Zuckerersatz etc.)

Insgesamt ist die allgemeine familiäre Belastung enorm. Unsere Nächte sind ständig unterbrochen. D. kommt jede Nacht ein bis dreimal. Als er noch die Antihistaminika bekam, haben die Attacken bis zu einer Stunde gedauert, und wahrscheinlich ist er meistens primär vor Müdigkeit wieder eingeschlafen. Ihn ohne Medizin wieder zum Schlafen zu bekommen, ist deutlich schwieriger. Die Kratzphasen sind zwar kürzer, dafür liegt er länger wach und fängt entsprechend öfter das Kratzen wieder an. Es ist manchmal nicht einfach zu unterscheiden, ob er kratzt, weil es wirklich juckt, oder weil er einfach nicht einschlafen kann. Da ist es schon richtig „erholsam“, wenn er hin und wieder einfach mal nur nach Mama oder Papa ruft, und kurz kuscheln möchte, um dann weiterzuschlafen. Im übrigen immer noch mit dem Schnuller. Er realisiert mittlerweile sehr gut, dass es ihm nicht gut geht, und er sähe es nicht ein, nachts auch noch auf seine Schnuller zu verzichten.

Außerdem meldet sich nachts häufig die Schwester, die jetzt eineinviertel Jahre alt ist und auch schlecht schläft. Manchmal wecken sich die Kinder gegenseitig. Auch am Tag kommt es manchmal zu einer solchen Kettenreaktion. Wenn D. morgens oder nachmittags wach wird, fühlt er sich häufig schlecht, kratzt sich nur und weint, was dann wiederum die Schwester nicht erträgt und aus lauter Solidarität mitweint. Mein Mann ist von morgens bis abends um 17.30 Uhr im Büro, und ich bin froh, wenn er kommt und mich bei der Betreuung unterstützt. Häufig setzt er sich dann abends noch einmal an den Schreibtisch und arbeitet Dinge auf, die er tags nicht geschafft hat. Für ihn ist die Belastung auch enorm groß, da er sich meistens in der Nacht um unseren Sohn kümmert und dadurch auch seit einem Jahr ständig unterbrochene Nachtruhe hat und dies körperlich spürt.

Kinder stellen immer eine Belastung für die Beziehung dar, da oft wenig Zeit füreinander bleibt. Ist ein oder sind mehrere Kinder krank, wird dies noch schwieriger. Zum einen bleibt durch die ständige zusätzliche Belastung noch weniger Freiraum für ein Gespräch, und zum anderen ist es in unserem Fall auch schwer, einen ‚Babysitter’ zu finden. D. ist mittlerweile wieder viel mehr auf uns fixiert als vor einem Jahr, und er bekommt Panik, wenn er hört, dass wir weggehen wollen. Da wir erlebt haben, dass viele Menschen mit seinen Kratzattacken Schwierigkeiten haben, ist es entsprechend schwer jemanden geeigneten zu finden, dem wir D. anvertrauen können. Wir haben eine Freundin, die ihn schon lange kennt und weiß, wie sie mit ihm umgehen muss (leider hat sie nicht so viel Zeit), wie auch die Großeltern, die leider nur selten kommen können. Das wars.

Zumindest haben wir das große Glück, dass D. eine großartige Erzieherin im Kindergarten hat. Sie lässt sich mit einer enormen Gelassenheit bei gleichzeitiger absoluten Anteilnahme auf unseren Sohn ein und trägt alle Veränderungen, sei es Essens technisch oder sonstige Experimente, um ihm zu helfen. Sie meistert seine Kratzattacken immer ohne unsere Hilfe und manchmal haben sie und die Chefin der Kindertagesheimeinrichtung Ideen, die wir dann zuhause auch einsetzen, um D. zu helfen. Bei einer anderen Erzieherin hätte es durchaus schon sein könne, dass wir ihn ganz aus dem Kindergarten hätten abmelden müssen. So bleiben mir drei bis vier Stunden am Tag, an denen D. ohne mich Kontakt zu Kindern hat und ich mich mehr um meine kleine Tochter kümmern kann.

Je länger der Krankheitszustand von D. dauert, desto schwerer ist es für ihn selbst, dies zu ertragen. Früher kannte er seine Situation gar nicht anders und empfand dies als relativ normal. Je mehr er sich und seine Umwelt wahrnimmt, desto deutlicher wurde und wird ihm, in was für einer Ausnahmesituation er lebt. Oft sitzt er nur da und weint und fragt uns, wann seine Kratzhaut besser wird. Wir als Eltern versuchen, ihm dann immer wieder Mut zu machen, obwohl es uns auch oft schwer fällt, noch an eine Verbesserung zu glauben. Eine zusätzliche Belastung für D. stellen mittlerweile fremde Menschen auf der Straße dar. Er wird eigentlich ständig gefragt, wie er sich verletzt hat, weil seine Neurodermitis im Gesicht am schlimmsten ist und er sehr entstellt aussieht. Immer deutlicher äußert er sich genervt über solche Fragen und versteckt häufig sein Gesicht oder dreht sich weg. Es ist für mich auch immer wieder erschütternd, wie unsensibel und grenzüberschreitend dabei Menschen sein können. Bei Erwachsenen würden sich diese Leute sicherlich mehr zurückhalten. Kinder werden hier offensichtlich nicht als vollwertige Menschen betrachtet, und es ist kein Thema, in Gegenwart unseres Sohnes über ihn zu sprechen. Ich habe selbst erst angefangen zu lernen, mit solchen Angriffen umzugehen, um mein Kind zu schützen und ihm Wege zu zeigen, damit umzugehen.

Nicht nur äußerlich ist D. durch seine Krankheit gezeichnet. Auch sein seelisches Gleichgewicht ist häufig gestört, was ich gut verstehen kann. Insgesamt ist es trotzdem enorm, was für ein Gemüt er oft hat – das bekommen wir auch von anderen mitgeteilt und es freut uns. Trotzdem weiß er bereits, dass er seine Krankheit gezielt einsetzen kann, auch wenn dies nicht immer bewusst stattfindet. Beispielsweise bekommt er, wenn er keine Lust hat zu essen, regelmäßig seine ‚Kratzhaut’ und bittet uns um Hilfe und Zuwendung. Dadurch ist es manchmal eine Gratwanderung zwischen Grenzen setzen, um ihm nicht zuviel Aufmerksamkeit zu geben, und ihm wirklich Hilfe zu leisten. Gleichzeitig haben wir noch unsere jüngere Tochter, die normalerweise viel mehr Zuwendung und Hilfe bekommen würde als der ältere Bruder. Ich glaube nicht, dass sie zuwenig Zuwendung erhält, aber zumindest ist es anders als normal.

Unsere Tochter hat latent auch Neurodermitis. Seit wir sie konstitutionell behandeln lassen, fängt sie an, sich an vielen Stellen am Körper aufzukratzen. Eigentlich ist dies aufgrund ihrer erblichen Belastung normal. Mir fällt es mittlerweile aber schwer, eine innere Gelassenheit zu haben und zu vertrauen, dass dieser Zustand nur vorübergehend ist.

Insgesamt sind mein Mann und ich mittlerweile sehr sensibel, was dieses Thema angeht. So überlege ich mir beispielsweise heute sehr genau, mit wem ich mich darüber überhaupt unterhalten möchte. Oft ist mir eigentlich nur noch zum heulen zumute und nicht zum reden. Wir sind aber mit einem Kind, was solche krankhaften äußerlichen Erscheinungen hat, ständiger Konfrontation ausgesetzt. Es vergeht oft kein Tag, an dem mir nicht irgendjemand einen Tipp gibt. Obwohl diese Tipps meistens nett gemeint sind, aber häufig ignorant und unbrauchbar. Es wird dabei oft deutlich, dass sich die meisten Menschen nicht vorstellen können, was D. und wir durchmachen. So hat mir gestern beispielsweise eine Verkäuferin, bei der wir regelmäßig einkaufen, allen Ernstes geraten auf die wunden, offenen Fleischstellen Penatencreme zu geben und bügelte meinen kurzen Versuch zu erklären, dass dies gar nicht möglich sei, kurzerhand über. Andere erklären mir immer wieder, welche psychischen Belastungen Darwin gerade stören und wie diese sich negativ auf seine Haut auswirken. Wenn so etwas nur alle paar Wochen vorkäme, würde ich dies gar nicht erwähnen, aber wir erleben so etwas täglich und durchaus auch mit Menschen, die uns näher stehen als fremde, denen wir die kalte Schulter zeigen könnten.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal feststellen, dass unser Leben mit unserem neurodermitiskranken Sohn auf vielen verschiedenen Ebenen ein anderes Leben ist als wir es uns gedacht haben. Niemand, der nicht in einer ähnlichen Situation ist, kann sich vorstellen, wie dies ist. Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir begriffen haben und uns eingestehen konnten, einen schwer kranken Sohn zu haben und in einer Ausnahmesituation zu leben. Mein Weg ist es, dass ich dies mittlerweile viel mehr kommuniziere. Dies tue ich hauptsächlich, um mehr Verständnis bei meinen und unseren FreundInnen und Bekannten zu haben. Viele denken nämlich, wir wenden uns ab, weil wir uns beispielsweise nicht öfter melden, dabei ist dies eigentlich gar nicht anders möglich. Die Gefahr einer Isolation in so einer Situation ist meiner Meinung nach relativ hoch!

Ich persönlich habe manchmal das Gefühl, dass ich ein Leben führe, dass nahe an der Selbstaufgabe grenzt. Oft kann ich mich abends nur noch erschöpft ins Bett legen, unfähig etwas zu lesen oder für mich zu tun. Mein Lebenskonzept sieht dies jedoch nicht so vor. Ich habe mir Kinder gewünscht, aber sie sollen nicht alles darstellen, da sie irgendwann ihre eigenen Wege gehen. Zunächst plante ich, im August halbtags wieder anzufangen zu arbeiten. Es handelte sich dabei um eine für mich herausfordernde Stelle. Aufgrund der Situation musste ich dies kurzfristig absagen, was durchaus richtig war. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht einfach sein wird, einen Wiedereinstieg zu finden, wenn die Zeit gekommen ist.

Ich wünsche mir, dass sich unsere Mühe lohnt und wir einen Weg finden, um eine Besserung für D. zu erreichen, die uns allen hilft.

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