Die Neurodermitis ist mit 5 – 15 % die häufigste chronische
Hauterkrankung im Kindesalter und betrifft 2 – 3 % der Erwachsenen. Die
Entzündung der Haut mit Rötungen, Knötchen Bläschen, Nässen und Krusten
prägt die akute Phase, während Schuppung und vergröberte Haut zu den
morphologischen Kriterien des chronischen Stadiums gehören.

Die Stigmatisierung und das Kardinalsymptom, der quälende
Juckreiz, sind mit einer erheblichen Beeinträchtigung der
Lebensqualität für Patienten und deren Familien verbunden. Diese und
eine stetige Zunahme der Erkrankung, die für die letzten Jahrzehnte
dokumentiert ist, haben zur Entwicklung von Schulungsprogrammen
geführt. Die Schulungsinhalte müssen den unterschiedlichen
Einflussfaktoren des Krankheitsbildes Rechnung tragen.
Ein solches Konzept ist nur mit einem interdisziplinären Team
möglich, das sich aus Ärzten (Haut- und Kinderärzten) möglichst mit der
Zusatzbezeichnung Allergologie, Psychologen und Ernährungsfachkräften
(Diätassistenten oder Ökotrophologen) zusammensetzt.
Welche Patienten bzw. Eltern betroffener Kinder sollten geschult werden?
Hauptpfeiler der Neurodermitisbehandlung sind Basistherapie und
fachärztliche Behandlun-gen. Erst wenn diese nicht zum nötigen Erfolg
führen, sind Schulungen indiziert. In der Regel trifft dieses für
Patienten mit schweren Verlaufsformen zu. Patienten mit leichten
Formen, die ihre Erkrankung mit Pflegemaßnahmen und dem kurzfristigen
Einsatz kortikoidhaltiger Externa beherrschen, bedürfen normalerweise
keiner Schulung. Eine ständige Auseinandersetzung mit ihrer Erkrankung
(kognitive Beschäftigung mit den Symptomen) könnte sich sogar negativ
auswirken.
Schulungskonzepte und -inhalte
Strukturierte Schulungsprogramme für Neurodermitiker liegen in
Deutschland vor und haben sich sowohl für das Kindes- als auch das
Erwachsenenalter als effektiv erwiesen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales (in
Kooperation mit den Krankenkassen) führten vier Haut- und vier
Kinderkliniken im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitis-Schulung
(AGNES) eine prospektive Studie durch, in der die Wirksamkeit von
Schulungen mit den Routinebehandlungen ohne Schulungen verglichen
wurde. Für alle Altersgruppen (Eltern betroffener Kinder im Alter von 0
– 7 Jahren, 8 – 12 jährige Kinder, Jugendliche im Alter von 13 – 17
Jahren) ließen sich signifikant bessere Ergebnisse hinsichtlich der
Effektivitätsparameter (u.a. Schweregrad, Juckreiz, Schlaflosigkeit,
Lebensqualität) für die Schulungs- im Vergleich zur nichtgeschulten
Gruppe erzielen. In der Zeitschrift „British Medical Journal (BMJ)“
wurde über die Effektivität einschließlich des Langzeiterfolges
berichtet (Staab et al, BMJ 2006).
Analog sind die Evaluierungsergebnisse bei betroffenen Erwachsenen, für
die wir Schulungskonzepte im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft
Dermatologische Prävention (ADP) erarbeitet haben.
Ziel der Schulungen ist die Vorbeugung neuer Neurodermitisschübe
bzw. die bessere Bewältigung und Abkürzung bestehender Schübe. Dieses
lässt sich durch folgende Schulungsinhalte erreichen:
1. Medizinische Grundlagen der Neurodermitis
2. Kratzreduktion, Stressbewältigung
3. Hautbild, Kleidung, Hygiene, Diagnostik
4. Nahrungsmittelallergie und –unverträglichkeit
5. Therapie, alternative Behandlungsmöglichkeiten
6. Auswertung, verbliebene Fragen, Ausblick
Haut- oder Kinderärzte vermitteln in der 1. Sitzung Kenntnisse
über die Erkrankung, sodass Eltern betroffener Kinder und Betroffene
die Krankheitszusammenhänge besser verstehen.
Juckreiz- und Stressbewältigungsstrategien gehören zu den Aufgaben der
Psychologen (2. Sitzung). Ärzte gehen auf die unterschiedlichen
Erscheinungsformen der Erkrankung ein, ebenso werden weitere Einflüsse
auf das Krankheitsbild besprochen (3. Sitzung). Ernährungsfachkräfte
informieren in der 4. Sitzung über die richtige Ernährung. Hierzu
gehört v.a. das Aufzeigen vieler sinnloser Diäten, die mehr Schaden als
Nutzen bringen. Die stadiengerechte Anpassung der Externatherapie
beinhaltet die nächste Sitzung (5. Sitzung). Zusätzlich werden
Therapiemöglichkeiten besprochen und gemeinsam wird das Für und Wider
alternativer Behandlungsmethoden erarbeitet. In der letzten Sitzung (6.
Sitzung) mit Ärzten und Psychologen wird das Erarbeitete und Gelernte
gefestigt und auf Alltagssituationen übertragen, um das
Selbstmanagement der Patienten und deren Eltern zu fördern.
Das AGNES-Schulungsprogramm beinhaltet 6 Sitzungen mit jeweils 2
Stunden, das Curriculum der Neurodermitis-Schulung für Erwachsene sieht
5 Doppelstunden vor. Bisher wurden die Schulungskosten im Rahmen von
Pilotstudien oder in Einzelfällen nach entsprechender Antragstellung
von den gesetzlichen Krankassen übernommen.
Qualifikation zum Neurodermitis-Trainer
Die Qualifikation zur Berechtigung, eigene Schulungen
durchzuführen, erfordert eine spezielle Ausbildung an
Neurodermitisakademien (z.B. in Schleswig-Holstein die „Inselakademie“
in der Dermatologie der Asklepsios-Nordseeklinik und die Fachklinik für
Kinder und Jugendliche auf Sylt). Diese beinhaltet medizinische und
psychologische Grundlagen (30 Stunden à 45 Minuten), eine Hospitation
(10 Stunden à 45 Minuten) bei einer Neurodermitis-Schulung und eine
Supervision (2 Stunden à 45 Minuten) einer Kinder-und Elternschulung
bzw. Erwachse-nenschulung.
Neben der Qualifikation sind ein interdisziplinäres Team
qualifizierter Trainer für alle o.g. Bereiche sowie entsprechende
Schulungsräume, Unterrichtsmaterialien und Schulungsmanual
Voraussetzung für die Durchführung von Schulungen.
R. Fölster-Holst und I. Kreiselmaier
Dermatologie, Venerologie und Allergologie, UKSH, Campus Kiel (Direktor Professor Dr. T. Schwarz)
Korrespondenzadresse
Prof. Dr .med. Regina Fölster-Holst
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätskrankenhaus SH, Campus Kiel
Schittenhelmstraße7
24105 Kiel
E-Mail:
rfoelsterholst@dermatology.uni-kiel.de
Erstveröffentlichung diese Artikels: Schleswig Holsteinisches Ärzteblatt 12-2004
Weitere Infos gibt es auch unter:
www.neurodermitisschulung.de
Oder unter:
www.dnb-ev.de
Deutscher Neurodermitis Bund e.V.