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17.07.2022

„Das Gefühl, mehr als grün hinter den Ohren zu sein"

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Hamburg ist Musicalstadt - wie keine andere Metropole in Deutschland! Seit Jahrzehnten ziehen die verschiedensten Stücke auf den Bühnen von Stage Entertainment Menschen aus aller Welt in ihren Bann, und das zu den unterschiedlichsten Themen irgendwo zwischen Realität und Phantasie.

Aktuell läuft im Stage Theater Neue Flora noch bis August dieses Jahres das Musical „WICKED – Die Hexen von Oz“, ein weltberühmtes Musical vom Broadway in New York. Bereits beim Suchen des gebuchten Sitzplatzes zieht das bemerkenswert verwunschene Bühnenbild die volle Aufmerksamkeit der Zuschauerschaft auf sich, welches auf brillante Weise den thematischen Einstieg in „die Magie zwischen Gut und Böse“ dieses erstaunlichen Musicals ermöglicht.

Die Geschichten, die in Musicals heutzutage erzählt werden, sind in der Regel schnell in Worte gefasst: Verschiedenste Protagonisten und Protagonistinnen treffen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, Lebenszielen und Lebenslagen aufeinander, z. T. sind diese vom guten Weg durch das Leben an sich abgekommen oder durch verschiedenste Schicksale vom Leben gekennzeichnet. Nach eindrucksvollen konfrontativen Begegnungen findet sich zum Schluss der Geschichte zumeist ein guter Ausgang; Menschen mit niederen Absichten sehen ein, vom Weg abgekommen zu sein, und wollen sich verändern oder sterben; und Menschen, die schwer gebeutelt durch das Leben gehen oder sich für das Gute einsetzen, tragen dazu bei, anderen wieder auf einen rechten Weg zu verhelfen. Zumeist findet an dieser Stelle das (wieder)gefundene große und gemeinsame Glück in Freundschaft und Liebe seinen Höhepunkt.

Zwischen Fremd- und Selbststigmatisierung - gefangen in grüner Haut.

Im Musical „Wicked“ treffen die Hexenanwärterinnen Glinda und Elphaba in einer Hexenakademie aufeinander und müssen unvorbereitetermaßen ein Zimmer miteinander teilen. Elphaba, von Geburt an von grüner Hautfarbe gekennzeichnet, stößt auf große Ablehnung bei Glinda, die blond und schön ist und in der Hexenakademie bei den anderen Anwärtern und Anwärterinnen besonders gut ankommt. Schnell wird Elphaba aufgrund ihrer Hautfarbe stigmatisiert und muss immer und immer wieder erkennen, wie „erschrocken die natürliche Reaktion“ ihrer Mitmenschen auf sie ist. Nicht genug damit, immer wieder stigmatisiert zu werden, sitzt auch noch ihre geliebte Schwester Nessarose im Rollstuhl. Eben nicht nur „grün hinter den Ohren“, wie es sprichwörtlich heißt, fragt sie sich, was wohl schlimmer wäre, grün durch das Leben gehen zu müssen oder gehbehindert zu sein. Elphaba erfasst bald, mehr Gelassenheit im Leben zu brauchen, um der „Bösigkeit“ mancher Mitmenschen gefasst entgegen treten zu können, gerade dann, wenn man „nicht vom Glück verwöhnt“ ist. Sie kämpft täglich mit sich in dieser verwunschenen Welt, um nicht auch noch sich selbst zu stigmatisieren und herunter zu ziehen. An dieser Stelle tritt Fiyero, ein attraktiver Hexenanwärter in ihr Leben, der ein oberflächliches Dasein fristet, quasi vom Leben gestreichelt. Elphaba fühlt sich mehr denn je anders und deshalb ausgeschlossen. 
Die Geschichte findet zusehends ihre Wendung, als Elphaba und Glinda gemeinsam beginnen, sich gegen Ausgrenzungen im Hexenreich einzusetzen; so darf beispielsweise der Ziegenbock Dr. Dillamind sie nicht mehr unterrichten und wird ausgeschlossen. Weitere ungute gesellschaftliche Veränderungen nehmen ihren Lauf, sodass infolge eine tiefe Freundschaft zwischen Elphaba und Glinda entsteht und Fiyeros Liebe in der Not zu Elphaba entflammt. Am Ende siegt das Gute gegenüber allen persönlichen und gesellschaftlichen Widerständen und auch in Elphabas endlich erfülltem Leben…

Ein Blick hinter die Fassaden des Lebens…

Auf den Spuren dieses Musicals wagte ich einige Wochen nach meinem Vorstellungsbesuch ein persönliches Experiment. Ich schlüpfte in grüne Haut, in dem ich Faschingsfarben auftrug und ein Hexenkostüm anzog, das Ganze vor Ort in einem Fotostudio an einem regulären Werktag. Zunächst forderte mich heraus, eine durchgängige grüne Hautfarbe zu bewerkstelligen, schließlich waren dafür mehrere Farbschichten und Schattierungen erforderlich. Kleinste Fotogäste im Studio blickten mich dabei mit großen Augen an und wollten ebenso grün werden. Etwas größere Fotogäste erschreckten sich sogar vor mir, es war ja nicht Faschingszeit. Erwachsene Fotogäste fragten, ob ich so grün etwa nach dem Shooting in öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren würde. Im Zeitfenster von nur einer Stunde bekam ich schon zu spüren, wieviel Ablehnung man bereits erfahren kann, wenn man nur in eine andere Hautfarbe schlüpft, aus welchem Grund auch immer. Erstaunlicherweise verschwand die Erkenntnis, gerade grün zu sein, relativ schnell aus dem Zentrum meiner Aufmerksamkeit, angesichts des weiteren und alltäglichen Trubels im Fotostudio. Auf dem Weg zu meinem Roller wurde ich dann wieder mit den merkwürdigsten Blicken angesehen; letztlich war ich froh, meine grüne Haut unter dem Helm verschwinden lassen und zu Hause herunterwaschen zu können. Mit den Worten Elphabas „nur ein bisschen anders“ im Ohr beendete ich dieses Experiment.

Und die Moral von dieser Geschicht´? Stigmatisierende Perspektiven in den Köpfen mancher Menschen stellen nach wie vor eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft dar, und das trotz jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit und Kampagnen. Ganz gleich, durch welche Farbe oder Erkrankung die Haut abseits des Durchschnitts gekennzeichnet ist, bedeutet es für Betroffene, in persönliche Bedrängnis zu geraten, wenn diese aufgrund ihrer Haut abwertende Blicke, Äußerungen und Ausgrenzungen erfahren und sich oft infolge selbst abwerten. Unerlässlich ist es, für die Vielfalt unter uns Menschen gesellschaftlich einzustehen und Menschen mutmachend zur Seite zur stehen, die aus äußerlichen und oberflächlichen Gründen zurückgewiesen werden. Schon Demokrit äußerte einst: „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“

Autor: Sophie von Streben

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