Melanokortin-Peptide und Vitiligo
Seit Anbeginn der Melanokortinforschung bestand die Idee, MSH-Peptide auch zur Behandlung von Vitiligo einzusetzen (1). Da Melanokortine wie ?-MSH bei oraler Aufnahme durch Proteasen (Eiweiß spaltende Enzyme) im Magen-Darm-Trakt abgebaut werden, gab es in der Vergangenheit Versuche MSH- und ACTH-Analoga durch direkte subkutane Injektion in Vitiligoherde therapeutisch nutzbar zu machen (1). Obwohl hier Repigmentierungen bei einer Reihe von Patienten erzielt wurden, hat sich dieses Verfahren nicht durchsetzen können. Die Prozedur ist unangenehm und führte überdies häufig zu Rezidiven.
Interessanterweise wird in letzter Zeit eine neue Form der ?-MSH-Therapie bei sehr seltenen Lichtdermatosen, z. B. bei der erythropoietischen Protoporphyrie, in klinischen Phase-II-Studien getestet (2). Ein superpotentes proteasestabiles ?-MSH-Derivat (NDP-?-MSH) wird hier subkutan implantiert und setzt den Wirkstoff kontinuierlich über nahezu zwei Wochen frei. Es kommt zur Anregung der Pigmentbildung in der Haut. Erste klinische Ergebnisse mit dieser neuen Form der ?-MSH-Therapie in Verbindung mit UVB-311-Phototherapie wurden auch bei Vitiligopatienten im Rahmen eines vom Autor dieses Artikels sowie von Prof. Thomas Luger und Prof. Jean-Paul Ortonne organisierten Melanokortin-Symposiums auf dem Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology in Lissabon im Oktober 2011 vorgestellt.
Es bleibt jedoch noch abzuwarten, ob systemisch verabreichtes NDP-? MSH einen klaren Zusatzeffekt auf die UVB-induzierte Repigmentierung bei Vitiligopatienten hat.
Eine weitere interessante therapeutische Alternative könnte in der Verabreichung kleinerer MSH-Fragmente bestehen. Von ?-MSH abgeleitete sog. Tripeptide (bestehend aus 3 Aminosäuren) wie KdPT binden nicht an Melanokortin-Rezeptoren wie die natürlichen Melanokortine. Sie wirken über einen noch unzureichend verstanden Mechanismus auf eine Reihe von Zellen ein. Die biologischen Wirkungen dieser Peptide werden von der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Markus Böhm in Münster analysiert, wobei bislang äußerst vielversprechende anti-entzündliche und sogar protektive Wirkungen in der Zellkultur sowie im Mausmodell entdeckt wurden (3-5). Der Deutsche Vitiligo Verein e.V., Hamburg unterstützt Untersuchungen zur Wirkung von KdPT auf humane Pigmentzellen. Der Autor dieses Artikels bedankt sich auch auf diesem Wege noch einmal herzlich dafür.
Prof. Dr. med. Markus Böhm
Klinik für Dermatologie und Venerologie
Universitätsklinikum Münster
Literatur
1. Böhm M. Proopiomelanocortin and related hormones in vitiligo. In: Handbook of vitiligo. Picardo M, Taieb A. (Hrsg.), Springer, Berlin, 2010; 283-229.
2. Harms JH, Lautenschlager S, Minder CE, Minder EI. Mitigating photosensitivity of erythropoietic protoporphyria patients by an agonistic analog of alpha-melanocyte stimulating hormone. Photochem Photobiol 2009 85: 1434-1443.
3. Mastrofrancesco A, Kokot A, Eberle A, Gibbons NCJ, Schallreuter KU, Strozyk E, Zouboulis ChC, Picardo M, Luger TA, Böhm M. KdPT, a tripeptide derivative of ?-MSH, is a suppressor of proinflammatory cytokine expression and signaling in human sebocytes. J. Immunol 2010; 85: 1903-1911.
4. Bettenworth D, Buyse M, Böhm M, Mennigen M, Czorniak I, Bruewer M, Kannengiesser K, Brzoska T, Luger TA, Kucharzik T, Domschke W, Maaser C, Lügering A. The tripeptide KdPT protects from intestinal inflammation and maintains intestinal barrier function. Am J Pathol 2011; 179: 1230-1242.
5. Böhm M, Apel M, Luger TA, Kokot A. Modulatory effects of a small peptide derivative of ?-MSH, KdPT, on melanocyte responses to oxidative stress. Pigm Cell Melanoma Res 2011; 24: 771.