Schon
in frühesten Jahren müssen sich Menschen an neue Lebensabschnitte
gewöhnen. In der Regel verläuft das in normalen Bahnen, da man ja auch
im Vorfeld darauf vorbereitet wird. Bei Atopikern ist alles ein wenig
anders.
Atopiker leiden sehr häufig in ihrem Beruf unter
Hautproblemen. Es gibt generell verschiedene Formen des Berufsekzems,
die jedoch nicht immer allergisch sein müssen.
Berufswahl
1. Proteindermatitis/Sofort-Typ- Reaktion/Kontakturtikaria
Diese Hautveränderungen werden in Form eines Ekzems, Dermatitis
oder einer Urtikaria (Hautentzündung) über Kontakte verursacht. Es
handelt sich um eine allergische Sofortreaktion vor allem gegenüber
Eiweißstoffen, wie z. B. Fisch, Fleisch, Mehl und Tierhaare. Die
Reaktion tritt sofort, d. h. nach 30–60 Minuten auf.
2. Toxisches Kontaktekzem / Toxische Kontaktdermatitis
Grundlage dieses Ekzems sind vorwiegend reizende Stoffe wie
Säuren, Laugen, UV-Licht und Röntgenstrahlen. Es entwickelt sich bei
Personen, die den Umgang mit den oben genannten Stoffen haben.
Die Stärke der Hautreaktionen ergibt sich aus der Konzentration und
Einwirkungszeit des Stoffes und zeigt sich in Form von Rötung,
Schwellung, Blasenbildung, Krusten oder Schuppen.
3. Toxisch-degeneratives Kontaktekzem/Dermatitis
Auch dieses Ekzem beruht auf dem Kontakt mit primär irritativen
Substanzen wie Laugen, Säuren, Reinigungs-, Spül-, organischen Lösungs-
und Desinfektionsmitteln. Diese Stoffe müssen über einen längeren
Zeitraum wiederholt in unterschwelligen Konzentrationen auf die Haut
einwirken und bedingen dadurch eine Schädigung der Hornschicht bzw. des
Fettsäuremantels und stören so die vorhandenen
Schutz- und Abwehrmechanismen der Haut
Ein toxisch-degeneratives Handekzem entsteht vor allem in den
Berufen, bei denen Personen regelmäßig diesen Stoffen ausgesetzt sind
und keine vorbeugenden Schutzmaßnahmen vornehmen.
Prädilektionsstellen (bevorzugte Stelle für das Auftreten) des
toxisch-degenerativen Kontaktekzems sind die Hand- und Fingerrücken
sowie die angrenzenden Unterarme.
Das toxisch-degenerative Kontaktekzem ist auf die Kontaktflächen
beschränkt und weist eine langsame Entwicklung auf. Klinisch zeigt sich
dies in rauer, trockener Haut.
4. Allergisches Kontaktekzem
Das allergische Kontaktekzem zeigt sich in mehr als 80 % der Fälle als Handekzem.
Die allergischen Hauterscheinungen werden häufig durch folgende Stoffe ausgelöst:
Metallsalze wie Nickelsulfat, Kobaltchlorid, Gummi-Inhaltsstoffe,
aromatische Balsame, Formaldehyd, Epoxydharze und Duftstoffe. Das Ekzem
ist nicht nur auf die Berührungsflächen begrenzt, sondern weist häufig
sogenannte „Streureaktionen“ in weiter entfernten Hautarealen auf.
Bevorzugte Stellen sind die Handrücken und die Unterarme. Typisch sind
Schuppung, Bläschenbildung, Verdickung sowie Einrisse der Haut.
Berufsberatung
Beruflich bedingte Hautkrankheiten müssen nicht sein. Jugendliche
mit dem sogenannten Atopie-Syndrom sollten sich einer intensiven
Berufsberatung unterziehen.
Bei der Berufsberatung ist nicht nur die persönliche Eignung
entscheidend, sondern es sollten auch im Rahmen der Beratung die
persönliche Gefahr für die Entwicklung von Hautkrankheiten ebenso wie
die berufsbezogenen Risiken des gewählten Berufes ermittelt und mit
dem/der Betroffenen besprochen werden.
Einstellungsuntersuchung
Bei der Einstellungsuntersuchung sollten folgende Punkte erörtert werden:
- Familienvorgeschichte
- Eigene Krankenvorgeschichte
- Untersuchung auf Veranlagung zur Hauterkrankung
- Jetzige Beschwerden
- Klinischer Befund
Bezüglich der Eigen- und Familienanamnese sind Fragen nach
Milchschorf, Beugenekzem, Handekzem, allergischem Schnupfen
(Heuschnupfen), Asthma sowie Bronchitis wichtig.
An jetzigen Beschwerden sollte permanenter oder saisonaler
Husten/Schnupfen, Atemnot, trockene Haut und Rauchergewohnheiten
erfragt werden.
Bei Erhebung des klinischen Befundes ist eine Ganzkörperinspektion notwendig.
Hier sollte auf trockene Haut, eine doppelte Lidfalte, Rarefizierung
(Verdünnung) der seitlichen Augenbrauen (Hertoghe-Zeichen) ,
aschblondes Haar, auf Metallenunverträglichkeit, auf Schweißneigung der
Hände und Füße, auf Beugenekzeme und auf die sog. „I-Hand“ (=
Ichthyosis-Hand) besonderen Wert gelegt werden.
Zur Beurteilung einer atopischen Hautdiathese zur Erkennung eines
erhöhten Ekzemrisikos haben sich die Kriterien nach Diepgen et al. von
1991 als unverzichtbar erwiesen. Die Erkennung eines Risikos sowie die
Identifizierung eines Allergens kann nur im Zusammenarbeit mit einem
Arzt, besser einem Hautarzt erfolgen. Es sollte die Erstuntersuchung
nicht erst kurz vor dem Eintritt in das Berufsleben vorgenommen werden,
sondern die Berufswahl soll im Rahmen der schulärztlichen Untersuchung
schrittweise vorbereitet werden.
Bei
Verdacht auf eine atopische Hautdiathese sollte vor der Ausübung von
Berufen mit starker Belastung durch Feuchtigkeit, Stäuben und
chemischen Irritationen gewarnt werden. Diesbezügliche Arbeitsbereiche
sind das Friseurhandwerk, das Baugewerbe, die Krankenpflege, das
Reinigungsgewerbe, die metallverarbeitende Industrie, das Maler- und
Lackiererhandwerk sowie die chemische Industrie.
Die sog. „Atopiker“ sollten während der Arbeitszeit nicht mehr als zwei Stunden täglich mit Feuchtarbeiten betreut werden.
Der Hautkontakt zu flüssigen, wässerigen und nicht wässerigen Medien
sollte gemieden werden, oder es sollten feuchtigkeitsdichte Handschuhe
getragen werden. Von intensiven Reinigungsmaßnahmen (Händewaschen z. B.
mehr als 20 x pro Tag) sollte Abstand genommen werden.
Leidet ein Atopiker in seinem Beruf unter Hautveränderungen so müssen
die Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe neu eingerichtet bzw. umgestellt
werden. Der Betroffene sollte eigenverantwortlich handeln und z. B.
Schutzhandschuhe tragen und Hautschutzmittel anwenden. Der Betrieb wird
sicherlich, um den Arbeitsplatz zu erhalten, entsprechende
Hautschutzmaßnahmen durchführen. Jedoch in der heutigen Situation
müssen diese auch wirtschaftlich vertretbar sein. Die wichtigste
Maßnahme ist jedoch die persönliche Anwendung von
Hautschutzmöglichkeiten sowie die Allergenvermeidung unter Ersatz des
möglicherweise identifizierten Allergens durch einen nicht allergischen
Stoff, soweit dies möglich ist.
Einige Risikoprofile von Problemberufen sollten hier aufgeführt werden:
Friseure
In einer
ausbildungsbegleitenden prospektiven Studie der Universität Osnabrück
fanden sich wenige Wochen nach Beginn einer Friseurlehre bei 31,1% der
Lehrlinge irritative Hautschäden, davon 23,5 % leichte und 14,7%
schwere. Fast 20% der Patienten waren unter 19 Jahren und 70% zwischen
20 und 29 Jahren. Der häufigste Grund für die Berufsaufgabe war ein
toxisch-degeneratives Kontaktekzem.
Die häufigsten Allergene waren Glycerylthioglykolat mit 34%,
Nickelsulfat mit 36%, Ammoniumpersulfat mit 15,9 % und
Paraphenylendiamin mit 19%. Im Friseurberuf treten im Vergleich zu den
anderen Berufen Ekzeme nach kurzer Berufstätigkeit auf. Zum Teil dauert
es nur Monate bis zum Auftreten eines Ekzems.
Als Risikofaktoren wurden definiert:
- Ekzemerkrankungen als Kind
- Handekzem bzw. Dyshidrosis als Kind
- Beugenekzem früher oder zum Zeitpunkt der Untersuchung
- Atopiescore von 7.5 bis 9.5
- Rauchen
- Metallenunverträglichkeit (Nickel)
- Ohrlochstich
- Nässe
- Nässebelastung in Kombination mit Waschmitteln
- mehr als zehn Haarwäschen pro Tag
- mehr als zwei saure Dauerwellen pro Jahr
Metallverarbeitende Industrie
Hier spielen die Handekzeme als beruflich bedingte
Hauterkrankungen die größte Rolle bei einer Metallverarbeitung. Die
häufigsten Allergene in diesen Berufsgruppen waren nach einer
Untersuchung Cadmiumchlorid mit 6,6%, Para-Aminobenzoesäure mit 5,3%,
Palladiumchlorid mit 3,9%, Natriumthiosulfatoaureat mit 2,3%. Neben
allergischen Kontaktekzemen sind subkumulativ toxische Ekzeme von
Bedeutung, die häufig bei Kontakt mit Kühlschmiermitteln entstehen.
Risikoprofile dieser Berufsgruppen sind leider noch nicht erarbeitet.
Die Latexallergie hat in den letzten 15 Jahren durch den verstärkten
Einsatz von gepuderten Latexhandschuhen im Gesundheitswesen stark
zugenommen. Dies ist zum einen auf die Schutzmaßnahmen zur
Infektionsprophylaxe nach Bekannt werden der Aids-Epidermie
zurückzuführen, zum anderen durch die gehäufte Nutzung von
Latexhandschuhen, die zwangsläufig mit einem längeren Allergenkontakt
verbunden ist.
Krankenpflegeberufe
Neben
subkumulativ toxischen Handekzemen sind 82% der berufsbedingten
Handekzeme auf den Kontakt mit Gummi, in der Regel Latexhandschuhen,
zurückzuführen.
Unproblematisch ist in der Regel die
Typ-IV-Reaktion auf Latex, während Personen mit einer Latex-Allergie
vom Typ I mit einer Kontakturtikaria reagieren. Außer dieser lokalen
Reaktion kann es zu Schleimhautreaktionen mit Rhinokonjunktivitits,
Asthma und anaphylaktischer Reaktion kommen. 10% al ler im
Operationssaal Beschäftigten und 13,4% der Zahnärzte leiden an einer
Latexallergie.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die beobachtete Kreuzreaktivität mit
einigen Nahrungsmitteln, wie Bananen, Avocado, Sellerie, Kastanien,
Feigen, Papaya, Passionsfrucht und Pfirsich.
Außerdem sollten die Patienten auf eine Kreuzallergie mit Ficus benjamini und Weihnachtssternen hingewiesen werden.
Dermatologische Kriterien zur Eignung
und Beurteilung für einen hautbelastenden Beruf modifiziert nach
Diepgen Kriterien erster Ordnung:
- Schweres atopisches Ekzem mit längerer oder wiederholter Beteiligung der Hände;
- ausgeprägtes chronisches od. chronisch rezidivierendes subtoxisch kumulatives oder allergisches Handekzem;
- relevante Sensibilisierung gegenüber Allergenen, deren Kontakt bei der geplanten Tätigkeit nicht zu meiden ist.
- berufsbedingte Hauterkrankungen, die aufgrund einer anlagebedingten
Minderbelastbarkeit der Haut bereits zu einer Tätigkeitsaufgabe geführt
haben.
Kriterien zweiter Ordnung:
- Atopisches Ekzem ohne Beteiligung der Hände, besonders Beugenekzem;
- Leichtere Ekzemmanifestation der Hände (Dyshidrosis),
- Metallsalzreaktion in Kombination mit atopischer Hautdiathese,
allergischer Rhinitis oder allergischem Asthma bei Berufen, bei den
eine erhöhte Gefahr besteht, sich Typ-I-Allergien zuzuziehen (z. B.
Bäcker).
Kriterien dritter Ordnung:
- Hinweise für eine verstärkte Irritationsbereitschaft der Haut
wie Wolle-Unverträglichkeit, Juckreiz beim Schwitzen, Sebostase (= raue
Haut) (besonders in Verbindung mit anderen Kriterien des atopischen
Ekzems).
Problematik von Vorsorgeuntersuchungen zur Erfassung besonders gefährdeter Personen:
Bei Verdacht auf eine atopische Hautdiathese sollte vor der
Ausübung von Berufen mit starker Belastung durch Feuchtigkeit, Stäube,
Fremdeiweiße und chemischen Irritationen gewarnt werden. Das
individuelle Risiko ist jedoch nicht vorhersehbar.
Routinemäßige epikutane Testungen mit berufsspezifischen
Kontaktallergenen vor Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit haben
keinerlei prognostischen Wert, da sich epikutane Sensibilisierungen
bekanntlich erst im Laufe der beruflichen Tätigkeit entwickeln.
Außerdem geht von derartigen Testungen ein nicht zu unterschätzendes
Sensibilisierungsrisiko aus. Ihre Durchführung empfiehlt sich lediglich
dann, wenn im Rahmen der Anamnese gefundene Sachverhalte, z. B.
Modeschmuckunverträglichkeit verifiziert werden sollen. Die
Nickelsulfatallergie kann durch die epikutanen Testverfahren gut von
Berufsbewerbern bei der Ergreifung bestimmter Berufe ist außerdem
rechtlich und ethisch problematisch.
Prävention (Vorsorge)
Im Bereich der Prävention unterscheidet man zwischen einer Primär
– und einer Sekundärprävention. Die Primärprävention dient der
Reduktion von Risikofaktoren.
Eine individuelle Primärprävention ist möglich durch die Erfassung
gefährdeter Personen durch Vorsorgeuntersuchungen und die Anwendung von
z. B. Schutzhandschuhen bei Friseuren (siehe auch TRGS 530 – technische
Regeln für Gefahrstoffe im Friseurhandwerk). Die Maßnahmen zur
Primärprophylaxe müssen ökonomisch vertretbar, einfach bei größeren
Gruppen durchsetzbar sein, eine wirksame Allergenmeidung gewährleisten
und bereits in der frühen Phase der ersten Lebensdekade durchgeführt
werden.
Die allgemeine primäre Prävention ist schwierig. Im Bereich der
Sekundärprophylaxe müssen Arbeitsplatzbedingungen bzw. die
Arbeitsplatzabläufe analysiert werden. Individuell kann dies durch das
Tragen von Schutzhandschuhen bzw. Arbeitshandschuhen erfolgen.
Außerdem sollten gefährdete Personen in Hautreinigungs- und Hautschutzmaßnahmen unterwiesen werden.
Ausblick
Das geltende Jugendarbeitsschutzgesetz regelt die Durchführung der
ärztlichen Untersuchungen der Jugendlichen, die eine einheitliche und
ausreichende Erfassung eventueller Gesundheitsrisiken vor und nach
Beginn des Arbeitslebens gewährleisten soll. Es treten bei vielen
Auszubildenden, insbesondere in hautbelastenden Berufen, in zunehmender
Zahl berufsbedingte oder -abhängige Hauterkrankungen auf, die auf einer
erhöhten, bei den Erst- und Nachuntersuchungen, in der Regel nicht
erkannten Ekzemdisposition beruhen. Ein wesentlicher Grund für dieses
Defizit liegt in unzureichenden inhaltlichen Ausgestaltung der
Untersuchungsbögen, die den heutigen Wissensstand auf dermatologischem
und allergologischem Gebiet nicht abfragen.
Eine wirksame Vorbeugung ist aber nur möglich, wenn an die ärztliche
Eignungsuntersuchung vor Eintritt in das Berufsleben strengere
fachliche Maßstäbe angelegt werden. Dies lässt sich aus
dermatologischer Sicht durch gezielte Fortbildung für die
erstuntersuchenden Ärzte erreichen, wobei besonderer Wert auf die
Erkennung individueller atopischer Risikofaktoren und auf Kenntnisse
über berufstypische Risikofaktoren zu legen ist.
Bei der Komplexität der verschiedenen präventivmedizinischen
Aspekte erscheint es dringend geboten, von der Möglichkeit des § 38 des
Jugendarbeitsschutzgesetzes (Ergänzungsuntersuchungen durch einen
anderen Arzt) weit mehr als bisher Gebrauch zu machen. Dabei ist es
nötig, das erforderliche Problembewusstsein zu schärfen. Für den Erfolg
aller Bemühungen ist es wichtig, die ärztliche Erstuntersuchung nicht
erst kurz vor Eintritt in das Berufsleben vorzunehmen, sondern den
individuellen Prozess der gesundheitlich unschädlichen Berufswahl im
Rahmen der schulärztlichen Untersuchungen schrittweise vorzubereiten.
Ziel aller aufeinander abgestimmten Maßnahmen muss es sein, allen
Berufsanfängern mit einem erhöhten Berufskrankheitenrisiko frühzeitig
vor Eintritt in das Arbeitsleben von ungeeigneten Tätigkeiten durch
eine sachgerechte Beurteilung des Gesundheitszustandes abzuraten.
Literatur bei der Verfasserin
Prof. Dr. med. Maria M. Zabel
Klinik für Haut-, Allergie-, Venen- und Umwelterkrankungen
Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen
Dorstener Straße 151
D-45657 Recklinghausen
Auszugsweise entnommen der Monographie von Zabel M. und Materna U.
„Allergien und Berufswahl“. Herausgegeben vom Ausschuss für
Jugendarbeitsschutz beim Staatlichen Amt für Arbeitsschutz
Recklinghausen.
Von Frau Prof. Zabel sind folgende Bücher erhältlich:
Hauterkrankungen in Wort und Bild, ISBN 3-934371-19-1;
Hauterkrankungen – ein Leitfaden für jedermann, ISBN 3-929493-04-7
Weitere Informationen zum Thema: