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Vitiligo, Anerkennung als Krankheit

Immer wieder erreichen den Deutschen Vitiligo Verein e.V. (DVV) www.vitiligo-verein.de Berichte von Mitgliedern, deren Krankenkasse sich weigert eine Therapie bei Vitiligo zu übernehmen.
Als Begründung wird regelmäßig  angeführt, Vitiligo sei keine Krankheit sondern lediglich ein kosmetisches Problem für welches kein Versicherungsschutz  im Rahmen der Krankenversicherung besteht.
Andere Mitglieder des vereins wiederum berichten, dass ihre Krankenkasse eine entsprechende Therapie übernommen hat.
Auf eine Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) und beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), wer letztlich festlegt wann ein kosmetisches Problem oder eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt, wurde der DVV auf das SGB V und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen.

Hierzu hat der DVV einige Urteile recherchiert, und zitiert im Folgenden auszugsweise:

BSG Urteil vom 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R :

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine “Krankheit” voraus.

Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht
(BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 11 S 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr 14 S 64 jeweils mwN).

Es kommt jedoch nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt.
(zu Hautverfärbungen vgl Senatsurteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 11/04 R, in JURIS RdNr 21, auch zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt

BSG Urteil vom 13.7.2004,- B 1 KR 11/04 R :
Die obergerichtliche Rechtsprechung misst selbst einer großflächigen Hautveränderung nur dann Krankheitswert bei, wenn sie entweder körperliche Funktionen beeinträchtigt oder als schwere sichtbare Entstellung auftritt.
(LSG NRW vom 28. November 2001 - L 5 KR 5/01 unter Berufung auf BSG SozR 2200 § 182 Nr 11).

LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 02.05.2002 , - L 5 KR 93/01:
Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit des körperlichen, seelischen oder geistigen Zustandes. Es muss aber eine erhebliche Abweichung vorliegen, nur geringfügige Störungen, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge haben, reichen zur Annahme eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes nicht aus. Dem gemäß genügen auch nicht Abweichungen von einer morphologischen Idealnorm, die noch befriedigende körperliche und psychische Funktionen zulassen (KassKomm/Höfler, aaO, RdNr 12 mwN). Daher fallen körperliche Anomalien ohne erheblichen Leidensdruck nicht unter den Begriff der Krankheit oder Behinderung
(BSG 6.8.1987 - 3 RK 15/86, SozR 2200 §182 Nr106; 9.6.1998 - B 1 KR 18/96 R, SozR 3-2005 § 39 Nr 5).

Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn durch den regelwidrigen Gesundheitszustand die körperlichen oder geistigen Funktionen in einem so beträchtlichen Maße eingeschränkt sind, dass ihre Wiederherstellung der Mithilfe des Arztes, also der ärztlichen Behandlung bedarf
(KassKomm/Höfer, aaO, RdNr 19 mwN).

Es müssen daher Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungszugänglichkeit (Behandlungsfähigkeit) gegeben sein. Ziel der ärztlichen Behandlung muss es sein, den regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand zu erkennen, zu heilen, seine Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Dabei genügt es, wenn die Behandlungsziele ohne ärztliche Behandlung wahrscheinlich nicht und auch nicht mit Aussicht auf Erfolg zu erreichen gewesen wären. Es ist nicht erforderlich, dass die Heilbehandlung tatsächlich zu einem Erfolg führt.

Der Begriff des Funktionsdefizits kann insbesondere in den Körperbereichen, die normalerweise nicht von Kleidungsstücken bedeckt sind, nicht allein daran gemessen werden, ob die Ausübung körperlicher Funktionen in dem betroffenen Teilbereich noch möglich ist. Der einzelne Versicherte kann nämlich nicht nur für sich allein betrachtet werden, es müssen vielmehr auch seine Beziehungen zu seiner Umwelt, insbesondere den mit ihm verkehrenden Mitmenschen berücksichtigt werden. Der Versicherte als kommunikativ handelndes Wesen ist auf die Achtung und den Respekt durch seine Mitmenschen angewiesen. Daher können insbesondere Entstellungen im Gesichtsbereich trotz normaler körperlicher Funktionen ein Funktionsdefizit hervorrufen, das einen Anspruch auf Maßnahmen der Krankenbehandlung begründen kann. Dies bestätigen die im Schwerbehindertenrecht geltenden Grundsätze. Die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" Ausgabe 1996 (S 50) sehen für eine abstoßend wirkende Entstellung des Gesichtes einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 vor. Eine abstoßend wirkende Gesichtsentstellung liegt vor, wenn die Entstellung bei Menschen, die nur selten Umgang mit Behinderten haben, üblicherweise Missempfindungen wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung gegenüber dem Behinderten auszulösen vermag. Eine einfache, kosmetisch nur wenig störende Gesichtsentstellung wird mit einem GdB von 10 bewertet, ansonsten mit einem GdB von 20 bis 30.
Ob und in welchem Grad Gesundheitsstörungen entstellend wirken, lässt sich regelmäßig nicht nach dem Eindruck eines Sachverständigen oder nach Fotografien beurteilen. Maßgebend ist der unmittelbare Eindruck des Gerichts, den es sich grundsätzlich durch Augenschein zu verschaffen hat (BSG 26.1.1994 - 9 RV 25/93, SozR 3-1750 § 372 Nr 1).


Fazit des DVV:

Gerade Vitiligo tritt in unterschiedlichen Ausprägungen und verschiedenen Körperregionen auf.
Bei der Beurteilung, ob Vitiligo als Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts zu werten ist, verbietet sich deshalb eine pauschale Aussage,  wonach  Vitiligo lediglich ein kosmetisches Problem darstellt.

Maßgeblich für die Anerkennung von Vitiligo als behandlungsbedürftige Krankheit – und somit für eine Leistungspflicht der Krankenkassen sind der individuelle Leidensdruck der Betroffenen unter Berücksichtigung der Schwere der Ausprägung und der betroffenen Körperregionen, vor allem in den Körperbereichen, die normalerweise nicht von Kleidungsstücken bedeckt sind ( z.B. Gesichtsbereich )

Der Rat des DVV an die Betroffenen geht dahin, zusammen mit ihrem Behandler  den individuellen Zustand genau zu dokumentieren und sich möglichst frühzeitig - wenn irgend möglich noch vor Therapiebeginn - mit einem Antrag auf Kostenübernahme an die betreffende Krankenkasse zu wenden.
Bei einer beabsichtigten Ablehnung muss die Kasse ihre Entscheidung im individuellen Einzelfall umfassend und nachvollziehbar begründen.
Im Zweifel könnte also ein Widerspruch und ggf. eine Klage unter Berufung auf die vorstehend zitierte Rechtsprechung dann durchaus Erfolg haben.

Hamburg, 19.9.2006

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