Mehr Information. Bessere Versorgung
Weniger ist mehr – unter dieser Prämisse haben sich seit 2011 international zahlreiche Wissenschaftliche Fachgesellschaften dem Thema unnötiger oder sogar schädlicher medizinischer Leistungen gestellt. Sie haben dazu für verschiedene Fachgebiete „Top-5-Listen“ mit „Don’t do“ Empfehlungen erarbeitet, die unter dem Begriff „Choosing Wisely“ bekannt geworden sind. Aus Sicht der AWMF ist das ein wichtiger Ansatz, der aber so nicht gut in die deutsche Versorgungslandschaft passt. „Die Choosing Wisely Intiativen sind angetreten, um Ärzten und Patienten den nötigen Mut zu geben, auch einmal etwas nicht zu tun.“ erläutert Professor Dr. Karl Heinz Rahn, Präsident der AWMF. „Wir sollten aber nicht allein identifizieren, welche medizinischen Leistungen kritischer zu hinterfragen sind, sondern auch, welche zu selten in Anspruch genommen und stärker unterstützt werden sollten“, so Rahn. Das Problem beginne schon bei der geringen Wertschätzung für Gespräche zwischen Arzt und Patient. Zudem sei die Betrachtung aus der Perspektive einzelner Fachgebiete zu kurz gesprungen, da für eine gute Versorgung die gemeinsame Abstimmung verschiedener Fachgebiete unabdingbar sei – zum Beispiel bei kombinierten Behandlungsprogrammen für Patienten, die unter chronischen Kreuzschmerzen leiden. Vor diesem Hintergrund hat die AWMF mit ihren Mitgliedsgesellschaften die Qualitätsoffensive „Gemeinsam Klug Entscheiden“ ins Leben gerufen.
„Als Idee dahinter steht, dass es in Deutschland bereits zahlreiche ausgezeichnete evidenzbasierte Leitlinien gibt, an denen die verschiedenen Fachgesellschaften gemeinsam fachübergreifend, mit anderen Berufsgruppen und mit betroffenen Patienten arbeiten“, erläutert Professor Dr. med. Rolf Kreienberg, Vorsitzender der Ständigen Kommission Leitlinien der AWMF. Damit sei die Grundlage gesetzt, gemeinsam wichtige Versorgungsprobleme in Deutschland zu identifizieren und Empfehlungen zu ihrer Behebung zu erarbeiten – das Thema müsse nicht neu erfunden werden. Es gehe aber darum zu erkennen, wo man mit Leitlinien allein nicht weiterkommt. Hier soll die Initiative ansetzen, um Ärzte und Patienten gezielter zu informieren. Um der Initiative einen Rahmen zu geben, hat die AWMF eine ad hoc Kommission eingesetzt, die das methodische Vorgehen entwickeln und testen wird. „Am Ende sollen klug ausgewählte Empfehlungen als Wissensgrundlage für wissenschaftlich und ethisch begründete Entscheidungen stehen. Diese gilt es, in verständlicher Form auch in eine öffentliche Diskussion einzubringen“, sagt Professor Dr. Ina Kopp, Leiterin des Instituts für Medizinisches Wissensmanagement der AWMF. Denn das Thema Fehlversorgung betreffe nicht allein das ärztliche Sprechzimmer und könne auch nicht allein hier gelöst werden. „Gemeinsam klug entscheiden ist auch eine Antwort auf die zunehmende marktwirtschaftliche Orientierung des Gesundheitssystems“, schließt Kopp.
Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 168 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.
Quelle: 26.03.2015 http://www.awmf.org