Der “non bathing”-Trend
Tschüss, Duschgel und Shampoo: Sich weniger zu waschen ist angeblich angesagt. «Non Bathing» heißt der Trend. Warum der Körper nicht wie ein Auto eingeseift gehört und was Corona in Sachen Duschen bewirkte.
Es scheint der letzte Schrei in diesem Jahr zu sein – oder besser Schmutz? Manche Menschen verzichten auf das tägliche Abbrausen, sei es aus Gesundheits- oder Umweltgründen.
Duschen ist was von gestern, oder wohl besser: von vorigem Jahr. Wer es seltener mache oder sogar gar nicht mehr, schone die natürliche Schutzbarriere der Haut und tue ihr Gutes – und spare auch viel Wasser, so die These. Stars aus den USA geben sich als Vorreiter. Jetzt ist auch auf Deutsch ein Buch des amerikanischen Arztes und Autoren James Hamblin erschienen, der das selbst getestet hat: «Natürlich waschen! Was unsere Haut wirklich gesund hält».
Hinzu kommt die Entwicklung in der Corona-Krise. In den vergangenen zwei Jahren mit ihren Lockdowns haben viele weniger geduscht. «Die Anlässe zum Stylen fielen bei Millionen Menschen einfach weg», sagt die Analystin Yvonne Hornung vom Marktforschungsunternehmen Nielsen. Im Homeoffice gingen viele lockerer mit dem Styling um. Auch Ausgehen oder Sport fiel aus. Inzwischen habe sich der Markt für Duschgels und Shampoo erholt, sei aber noch nicht wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.
Der Trend "Non Bathing" oder auch "Cleansing Reduction" ist in Hollywood eine Art Hype: Stars wie Kristen Bell, Brad Pitt und Jake Gyllenhaal haben sich schon dazu bekannt. Jennifer Aniston, Julia Roberts und Charlize Theron sagten in Interviews, sie duschten nur einmal die Woche, um Wasser zu sparen. Mila Kunis sagte in einem Spotify-Podcast: «Ich wasche meinen Körper nicht jeden Tag.» Sie reinige nur Achseln, Brüste, Füße und Intimbereich. Duschen sei überbewertet. Ihr Partner Ashton Kutcher pflichtete ihr bei. Er nehme ein Stück Seife für Achseln und Schritt.
Natürlich wird auch dieser Beauty-Trend kontrovers diskutiert. Filmstar Dwayne Johnson (oft «The Rock» genannt) gab zu, gerne öfter am Tag zu duschen – morgens nach dem Aufstehen kalt, nach dem Sport warm. Sein Gesicht reinige er mit einem Peeling.
Gut 15 Milliarden Euro werden in Deutschland jedes Jahr für Körperpflegeprodukte ausgegeben, wie der Münchner Verlag Kunstmann schreibt, der den Bestseller "Clean: The New Science of Skin" von Hamblin (39) übersetzen ließ und in Deutschland herausgebracht hat. Es herrsche kaum Einigkeit darüber, was unsere Haut wirklich pflege und nähre – und was ihr schade. «Die Forschung auf diesem Gebiet ist nur selten unabhängig von den Großkonzernen der Kosmetikindustrie.»
Hamblin sagte dem "Süddeutsche Zeitung Magazin" kürzlich, die Seifenindustrie habe die öffentliche Gesundheit stark verbessert. "Es lief nur irgendwann aus dem Ruder." Es sei wichtig, die Hände gut zu waschen, mit denen man sich oft an die Nase fasse oder die Augen reibe. "Und zwar auch dann, wenn nicht gerade Pandemie ist." Seife sei jedoch nur an wenigen Stellen wie Füßen und Achselhöhlen nötig.
"Dennoch sehen wir in der Werbung und in Filmen so häufig Menschen, die sich am ganzen Körper einseifen, als wären sie ein Auto in der Waschanlage", führte Hamblin aus. "Man verbringt dann mehr Zeit als nötig unter der Dusche, verbraucht mehr Wasser als nötig, kauft Produkte, deren Inhaltsstoffe mehrmals um die halbe Welt transportiert und dann in Plastikflaschen abgefüllt wurden."
Wer das tägliche Duschen aufgebe, rieche erstmal stärker und denke dann oft, noch mehr waschen sei die Lösung, sagte Hamblin. Diesen Kreislauf könne man durchbrechen. "Nach einer Weile ohne Eingriffe entsteht ein neues Gleichgewicht auf der Haut und in den Haaren."
Die Hautärztin Marion Moers-Carpi aus München begrüßt die Thesen im Großen und Ganzen: "Wir muten unseren Körpern sehr viel zu. Viele waschen sich zu viel, zu heiß und zu lang." Zwanzig Minuten jeden Tag unter der warmen Dusche seien unnötig und überhaupt nicht gut. Menschen, die schon Hautprobleme wie zum Beispiel Neurodermitis haben, sollten auf jeden Fall vorsichtiger sein, betont sie. Moers-Carpi sagt wie Hamblin, mit täglichem Schrubben entferne man jene Öle von der Haut, die die Drüsen produzieren, um die Haut zu schützen. Dadurch werde die Haut trockener, und man nehme womöglich Feuchtigkeitscremes, um eine künstliche Version der Fette zu schaffen. Den Zwischenschritt könne man sich eigentlich sparen.
Sie selber dusche etwa zweimal die Woche und benutze wenig Seife, sagt die Dermatologin Moers-Carpi. Das lange Zeit verkündete Konzept des Säureschutzmantels sei bei Hautärzten inzwischen umstritten. Sie persönlich empfehle durchaus Kernseife, die eine Zeit lang verpönt gewesen sei.
Zu guter Letzt gibt die Münchner Hautärztin zu bedenken: "Fragen Sie mal Ihre Großeltern, wie oft die sich gewaschen haben. Früher war meistens nur einmal Baden in der Woche angesagt. Und das waren auch nicht alles Stinkemenschen."
Buch: James Hamblin: "Natürlich waschen! Was unsere Haut wirklich gesund hält", 288 Seiten, Euro 24,00, Verlag Kunstmann, ISBN 978-3-95614-461-5 – erschienen im September, übersetzt von Christine Ammann (Originaltitel aus dem Jahr 2020: "Clean: The New Science of Skin")