Stigma: gescheckte Haut
Ein Selbstbewusstsein, wie es Topmodel Winnie Harlow ausstrahlt, ist nicht jedem gegeben, der an Vitiligo erkrankt: Häufig bricht die Hautkrankheit im Jugendalter aus und gerade Teenies leiden oft sehr unter der auffällig gefleckten, gescheckten Haut. Wie Betroffenen heute geholfen werden kann, erläutert Privatdozentin Dr. Anke Hartmann, Leiterin der Vitiligo-Sprechstunde an der Universitäts-Hautklinik Erlangen, im Interview.
Bei der Vitiligo entwickeln sich helle Flecken an der Haut, die sich auffällig vom übrigen Farbton abheben. Was weiß die Forschung heute über die Ursachen und Entstehungsmechanismen der sogenannten „Weißfleckenkrankheit"?
PD Dr. Anke Hartmann: Die Vitiligo ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Pigmentzellen des eigenen Körpers angreift und zerstört. Dadurch kommt es an den betroffenen Arealen zu einem fleckförmigen Pigmentverlust an der Haut, manchmal auch an Haaren und Schleimhäuten, die dann als helle Flecken sichtbar werden.
Bei genetischen Untersuchungen, vor allem im Rahmen des Human Genome Projects, wurden in den letzten Jahren zahlreiche sogenannte Suszeptibilitätsgene gefunden, welche für eine Vitiligo „empfänglicher" machen. Bei Patienten mit Vitiligo finden sich vermehrt Mutationen dieser Gene. In der Folge solcher Genmutationen können freie Radikale in der Haut überhandnehmen. Dadurch kommt es zu Veränderungen der pigmentbildenden Zellen, die daraufhin nicht mehr als körpereigen erkannt und daher vom Immunsystem als vermeintliche Eindringlinge bekämpft werden. Die Genmutationen erhöhen außerdem das Risiko für andere Autoimmunerkrankungen, beispielsweise der Schilddrüse sowie für Diabetes Typ 1, scheinen aber gleichzeitig das Risiko für weißen und schwarzen Hautkrebs zu reduzieren.
Verschiedene Triggerfaktoren können zu einer Erhöhung freier Radikale und damit zum Auftreten oder der Verschlechterung einer Vitiligo führen. Dazu zählen unter anderem Infekte, Verletzungen, Entzündungen, psychischer Stress, Nikotin oder auch hormonelle Faktoren, beispielsweise eine Schwangerschaft. Da UV-Licht und insbesondere ein entzündlicher Sonnenbrand eine Vitiligo triggern können, ist ein konsequenter Sonnenschutz besonders wichtig. Eine Fehl- oder Mangelernährung liegt der Vitiligo nicht zugrunde, daher führen Ernährungsumstellungen zu keiner Besserung der Vitiligo.
Mit welchem Verlauf müssen Erkrankte rechnen?
Dr. Hartmann:Die Vitiligo tritt oft erstmalig zwischen dem zehnten und 20. Lebensjahr auf, eine Neuerkrankung ist jedoch in jedem Alter möglich. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, die kontinuierlich oder schubweise fortschreiten kann, manchmal aber auch nur wenige Monate aktiv ist und dann stabil bleibt. Der Verlauf der Vitiligo ist leider nicht vorhersagbar, für Betroffene ist daher die Angst vor der Zunahme der Hauterkrankung oft besonders belastend.
Was bedeutet die Erkrankung für die Betroffenen?
Dr. Hartmann:Eine Vitiligo mindert die Lebensqualität erheblich und Studien zufolge durchaus in vergleichbarem Maße wie andere Hauterkrankungen, beispielsweise Neurodermitis oder Schuppenflechte. Rund ein Viertel der betroffenen Jugendlichen zeigte in Studien eine schwere Einschränkung der Lebensqualität. Betroffene fühlen sich oft entstellt und stigmatisiert. Gerade bei jungen Patienten in der Phase der Selbstfindung kann die Vitiligo die psychosoziale Entwicklung und auch die beruflichen Perspektiven beeinträchtigen. Viele scheuen aus Scham neue soziale Kontakte und erste Partnerschaften oder wagen sich nicht mehr in die Schule, zum Sport und ins Schwimmbad.
Wie kann jungen Betroffenen geholfen werden, was raten Sie den Eltern?
Dr. Hartmann:Manchmal sind die Eltern besorgter als das betroffene Kind. Möglicherweise assoziierte Erkrankungen beispielsweise der Schilddrüse müssen abgeklärt werden. In den meisten Fällen aber ist das Kind ansonsten ganz gesund. Wir raten Eltern, das Selbstbewusstsein ihres Kindes zu stärken und es dabei zu unterstützen, mit der Hauterkrankung leben zu lernen. Oft reichen schon kosmetische Maßnahmen wie geeignete Abdeckcremes oder Selbstbräuner aus, um betroffene Hautareale zu kaschieren. Diese stehen heute in sehr guter Qualität zur Verfügung. Wenn der Heranwachsende jedoch eine Therapie wünscht, sollten Hautarzt und Eltern dies ernst nehmen und gemeinsam ermöglichen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten sind schon im Kindes- und Jugendalter geeignet?
Dr. Hartmann:Heute setzen wir bei hohem Leidensdruck bereits ab dem elften Lebensjahr eine gezielte lokale Lichttherapie an einzelnen sichtbaren betroffenen Hautarealen ein. Die Energiedichte kann dabei entsprechend der Körperregion dosiert werden. Die umliegende, normal pigmentierte Haut wird geschont und dadurch eine Kontrastverstärkung vermieden. Bei Bedarf kombinieren wir im akuten Schub kurzzeitig örtlich aufgetragene Corticosteroide, auch immunmodulatorische Calcineurinantagonisten können angewendet werden. In Studien konnte durch Polypodium leucotomos, den tropischen Goldtüpfelfarn, der in Nahrungsergänzungs- und Sonnenschutzpräparaten eingesetzt wird, eine zusätzliche Verbesserung der Repigmentierung bei Vitiligo im Vergleich zur alleinigen Phototherapie gezeigt werden.
Wie sind die Erfolgschancen einer Therapie?
Dr. Hartmann:Leider ist die Vitiligo bislang nicht heilbar. Aber auch wenn es nicht möglich ist, eine vollständige und dauerhafte Repigmentierung zu bewirken, so lassen sich doch in vielen Fällen akzeptable Teilerfolge erzielen. Die besten Ergebnisse können in aller Regel im Gesicht und auch an Stamm und Extremitäten erreicht werden. An den Händen und Füßen ist zumeist nicht oder kaum mit einem Ansprechen auf die Behandlung zu rechnen.
Das Interview führte Angelika Bauer-Delto.
03.09.2019
Quelle: Pressenewsletter Bundesverband Deutscher Dermatologen e.V.