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13.10.2010

IQWiG: Publikationspflicht für klinische Studien gefordert

Wird der aktuell diskutierte Entwurf des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) umgesetzt, müssen Arzneimittel-Hersteller künftig ihre klinischen Studien bei Beginn registrieren und ihre Ergebnisse nach Abschluss veröffentlichen. Zwei jetzt im renommierten British Medical Journal (BMJ) erschienene Beiträge von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Wirkstoff Reboxetin belegen eindrücklich, dass eine umfassende gesetzliche Regelung der Publikationspflichten für alle klinischen Studien überfällig ist. Dies gilt indes nicht nur für Arzneimittel, sondern auch für Medizinprodukte und nichtmedikamentöse Verfahren.

Pfizer liefert Daten erst unter massivem öffentlichem Druck

Die Autorinnen und Autoren haben darin minutiös nachgezeichnet, wie mühsam und zeitaufwendig es bei ihrer Nutzenbewertung war, vom Reboxetin-Hersteller Pfizer unter Verschluss gehaltene Studien zunächst ausfindig zu machen und anschließend auch ihre Ergebnisse zu bekommen. Denn in Deutschland ist es bislang noch immer in das Belieben des Sponsors gestellt, ob Studien veröffentlicht werden oder nicht. Erst unter massivem öffentlichem Druck gab Pfizer die Daten schließlich heraus.

Deren Auswertung offenbarte dann einen möglichen Grund für die Geheimniskrämerei: Die Daten aus den bislang veröffentlichten Studien suggerierten, Reboxetin könne Depressionen lindern. Bezog man jedoch auch die bislang geheim gehaltenen Ergebnisse mit ein, wurde der Effekt so klein, dass Patientinnen und Patienten von dem unter dem Handelsnamen Edronax vertriebenen Präparat gar nicht profitierten, es also nutzlos ist.

Ausmaß der Verzerrung lässt sich jetzt beziffern

Im BMJ haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IQWiG nun erstmals genau quantifiziert, wie stark die Nutzen-Aussagen durch das Verschweigen von Daten verfälscht wurden. In der Wissenschaftssprache bezeichnet man dieses Phänomen als "Bias" (englisch für Verzerrung). Wenn man alle Studien auswertet, die Reboxetin mit einem Scheinmedikament verglichen haben, erscheinen positive Effekte nur noch etwa halb so groß wie in den veröffentlichten Studien. "Der Unterschied wird so klein, dass Reboxetin keinen Nutzen mehr hat", sagt Beate Wieseler, Autorin der BMJ-Beiträge und stellvertretende Leiterin des Ressorts Arzneimittelbewertung im IQWiG: "Gleichzeitig sehen wir beim Schaden die entgegengesetzte Verzerrung: Der Anteil der Patienten, die Reboxetin wegen unerwünschter Nebenwirkungen absetzen, verdoppelt sich ungefähr, wenn man alle Studien betrachtet."

Auch Ergebnisse älterer Studien offen legen

Vor diesem Hintergrund formulieren die Autorinnen und Autoren eine Reihe konkreter Forderungen: "Der AMNOG-Entwurf sieht eine Publikationspflicht nur für ausgewählte Studien vor. Wir brauchen aber die Ergebnisse aller Studien", verlangt Beate Wieseler. "Außerdem muss noch geklärt werden, wie die Ergebnisse älterer Studien zugänglich gemacht werden. Reboxetin zum Beispiel ist seit 1997 auf dem Markt, und wurde für die Zulassung in den Jahren vor 1997 getestet. Diese Studien könnten auch nach der Gesetzesreform unter Verschluss gehalten werden", so Beate Wieseler.

Nach Auffassung von Jürgen Windeler, dem Leiter des IQWiG, ist die geplante Reform ein Schritt in die richtige Richtung: "Der Zugewinn an Transparenz bei den Arzneimitteln ist zu begrüßen. Ich verstehe allerdings nicht, warum wir bei Medizinprodukten und nichtmedikamentösen Verfahren weiter im Dunkeln tappen sollen", so Windeler. Auch hier sei eine Publikationspflicht vonnöten.

Daten-Transparenz ist Voraussetzung für gute Entscheidungen

"Das Beispiel Reboxetin zeigt einmal mehr: Nur wenn alle Studiendaten verfügbar sind, lässt sich der Nutzen eines Medikaments realistisch einschätzen" meint Jürgen Windeler. Das sei aber die Voraussetzung, um überhaupt gute Entscheidungen treffen zu können: "Denn nur dann, wenn der Nutzen - und der mögliche Schaden - bekannt sind, können Patienten und Ärzte die bestmögliche Therapie auswählen und die Selbstverwaltung die knappen Mittel richtig verteilen. Geld, das für unnütze Medikamente ausgegeben wird, fehlt sonst an anderer Stelle für sinnvolle Therapien", sagt Windeler.

Die deutsche Zulassungsbehörde hatte Reboxetin 1997 eine Zulassung erteilt, dabei aber nicht alle Studien berücksichtigen können, die das IQWiG jetzt ausgewertet hat. Für die USA hat der Hersteller später ebenfalls eine Zulassung beantragt, die aber nicht erteilt wurde (2001). Auf Grundlage des IQWiG-Berichts schloss der G-BA im September 2010 Reboxetin von der Erstattungsfähigkeit aus. Der Beschluss ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

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