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Allergologische Diagnostik bei Kindern

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In vielen westlichen Ländern wird über einen erheblichen Anstieg von sog. atopischen Erkrankungen berichtet. So leiden derzeit etwa zehn Prozent aller Kinder an atopischen Ekzemen und/oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten, sechs bis acht Prozent der Kleinkinder entwickeln obstruktive Bronchitiden und etwa sechs Prozent aller Schulkinder leiden unter Asthma bronchiale. Obwohl Nahrungsmittelallergien und die Neurodermitis meist im Kindesalter, häufig sogar im ersten Lebensjahr auftreten und etwa die Hälfte aller Kinder mit Neurodermitis im Verlauf eine allergische Atemwegserkrankung entwickeln, unterbleibt bei den kleinen Patienten häufig eine notwendige allergologische Abklärung.

So zeigte sich z.B. bei einer Untersuchung im Lande Brandenburg, dass nur jedes zweite, an atopischen Symptomen leidende Kind, exakt allergologisch diagnostiziert wurde. Insbesondere bei kleineren Kindern unterbleiben entsprechende Testungen mit weitreichenden Konsequenzen. Notwendige vorbeugende und therapeutische Maßnahmen setzen zu spät ein und eine irreversible „Atopiker-Karriere“ droht.

Tatsächlich bedarf die Allergietestung im Kindesalter einer differenzierten Betrachtungsweise.

Grundsätzlich besteht aus allergologischer Sicht Klarheit darüber, dass für eine allergologische Diagnostik für Kinder jenseits des fünften Lebensjahres die gleichen Grundsätze wie für Erwachsene gelten. Beschäftigt man sich allerdings mit den Allergietestungen im Kindes- und frühen Kleinkindesalter, so sind Besonderheiten zu berücksichtigen.

Aus immunologischer Sicht besitzt eine Allergiediagnostik (Blutuntersuchungen, Hauttests) bis neun Monate nach der Geburt nur einen eingeschränkten Aussagewert. Das Immunsystem des Kindes ist noch nicht voll ausgebildet, die von der Mutter übertragene Leihimmunität kann eine entsprechende Testung beeinflussen. Untersuchungen der letzten Jahre konnten allerdings zeigen, dass Säuglinge mit sehr hohen Gesamt-IgE-Spiegeln auch klinisch einen schwereren Krankheitsverlauf aufweisen.

IgE wird während der Schwangerschaft nicht von der Mutter auf das Kind übertragen, weswegen entsprechende Untersuchungen einen Rückschluss auf spezifische Reaktionsweisen des Kindes ermöglichen können. So wurde vielfach zur Abschätzung der atopischen Disposition das Gesamt-IgE aus dem Nabelschnurblut direkt nach der Geburt bestimmt.

Neuere Studien zeigen allerdings, dass die Sicherheit, mit der aufgrund eines erhöhten Gesamt-IgEWertes bei Geburt eine Allergie-Karriere vorhersagbar ist, in Frage gestellt werden muss. Entsprechend hat sich eine routinemäßige Bestimmung des Gesamt- IgE-Spiegels bei Neugeborenen nicht durchgesetzt.

Im Gegensatz zur Erwachsenenhaut sind die Immunfunktionen der kindlichen Haut noch nicht voll ausgeprägt. Die Haut von Kleinkindern zeigt nur eine schwache Reagibilität, was insbesondere bei Hauttestungen mit aerogenen Allergenen zu falsch negativen Ergebnissen führen kann. So besitzen allergologische Bluttests bei einer allergisch bedingten obstruktiven Bronchitis im (frühen) Kindesalter eine hohe diagnostische Wertigkeit (ca. 90 Prozent) und sind damit der Hauttestung deutlich überlegen.

Entsprechend sollte bei Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr dem Bluttest der Vorzug gegeben werden, insbesondere dann, wenn es sich um einen Suchtest handelt und eine Vielzahl von Allergenen ausgetestet werden sollen.

Des weiteren hat die Bestimmung des spezifischen IgE’s den Vorteil, dass sie bei antiallergischer Dauermedikation, bei fehlender Kooperativität des Patienten und auch bei nichttestfähiger Haut durchgeführt werden kann.

Eine Besonderheit stellen allergologische Nahrungsmitteltestungen dar. Gegenwärtig sind nur wenige standardisierte und validisierte Nahrungsmittel-Antigene für den Hauttest (Prick-Lösungen) sowie für den Bluttest (Antikörpertest) verfügbar (z.B. Milcheiweiß, Hühnerei, Fisch). Je nach Art, Quelle und Reifegrad der Rohmaterialien können sich die Testergebnisse erheblich verändern.

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So ist bekannt, dass bestimmte Apfelsorten besonders häufig nicht vertragen werden, wohingegen andere Sorten eher eine niedrige allergene Potenz aufweisen (Golden Delicious > Boskop > Jamba). Auch kann das verwendete Extraktionsverfahren dazu führen, dass die relevanten Allergene zerstört werden und ein falsch negatives Testergebnis resultiert. Deshalb empfiehlt es sich, bei einem konkreten Verdacht einen Hauttest mit dem verdächtigen nativen (möglichst frischem und unverarbeitetem) Nahrungsmittel durchzuführen. Dabei haben sich Reibe- und Prick-in-Prick-/ Scratch-Tests schon im frühen Kleinkindesalter (ca. ab dem neunten Lebensmonat) bewährt. Sollte aber eine Nahrungsmittelallergie ohne konkreten Verdacht ausgeschlossen werden, oder ist die Haut des kleinen Patienten durch entzündliche Veränderungen nicht testfähig, so empfiehlt sich ein Bluttest mit standardisierten Schlüsselallergenen (Milch, Hühnerei, Fisch etc.).

Als Goldstandard bei der Nahrungsmittel- Allergiediagnostik wird der doppelblind durchgeführte, placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokationstest empfohlen. Hierbei wird das angeschuldigte Nahrungsmittel verdeckt bei der Nahrungsaufnahme gegeben, ohne dass der Patient bzw. dessen Angehöriger oder der Arzt erkennen kann, ob in der verabreichten Speise sich das angeschuldigte Nahrungsmittel befindet. So kann z.B. in eine hypoallergene Kindernahrung (=Placebo) z.B. Kuhmilcheiweiß untergerührt werden, ohne dass der Patient oder der Arzt dies erkennen kann. Reagiert der kleine Patient tatsächlich auf die das Allergen enthaltende Speise, so ist die spezifische Nahrungsmittelunverträglichkeit zweifelsfrei nachgewiesen. Grundsätzlich sollte aber vor Durchführung eines Nahrungsmittelprovokationstestes ein Hauttest erfolgen.

Insbesondere nach Hühnereiweiß und Fisch werden unabhängig vom Alter häufiger starke Hautreaktionen beobachtet, welche eine Provokation verbieten.

Abschließend ist besonders darauf hinzuweisen, das der Nachweis von Antikörpern oder der positive Hauttest lediglich eine Sensibilisierung bestätigen kann. Rückschlüsse auf eine tatsächlich relevante Allergie und ihre Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich erst durch eine ausführliche Anamnese.

Nicht die Laborwerte entscheiden über eine Diagnose oder Therapie einer Allergie, vielmehr stehen die von dem Patienten bzw. den Angehörigen angegebenen Beschwerden im Vordergrund.

Grundsätzlich sollte ein Provokationstest durchgeführt werden, wenn der Zusammenhang zwischen Allergen und Beschwerden zweifelsbehaftet ist, oder sich Laborwerte und klinische Symptomatik widersprechen.

Priv.-Doz. Dr. med. Wolf Nürnberg, FA
für Hautkrankheiten, Allergologie.
Ärztlicher Direktor und Chefarzt der
Ostseeklinik Kühlungsborn. Zentrum
für Allergologie, Dermatologie, Pädiatrie
und Pulmologie.

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