Was lange Spekulation war, wird immer mehr zur Gewissheit: Schuld an
der Zunahme allergischer Erkrankungen ist auch die Luftverschmutzung.
Vor allem die feinen Staubpartikel im Dieselruß scheinen bei der
Entstehung von Allergien gleich in mehrerer Hinsicht eine wichtige
Rolle zu spielen. Zunächst können sie unabhängig vom Kontakt mit
der Substanz, auf die eine Person allergisch reagiert, in den
Schleimhäuten der Atemwege eine Entzündungsreaktion hervorrufen –
ähnlich der, die bei Heuschnupfen oder allergischem Asthma abläuft. Bei
Menschen, die allergisch gegen Substanzen wie Pollen sind, verstärken
die Rußpartikel darüber hinaus die Produktion von Antikörpern und
Botenstoffen, die die allergische Reaktion steuern. Folge: Durch die
Einwirkung von Dieselruß leiden sie unter besonders heftigen
Beschwerden. Inzwischen gibt es sogar Hinweise darauf, dass die Abgase
bei Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung eine
allergische Überempfindlichkeit verursachen können, zu der es ohne den
Dieselruß gar nicht kommen würde. Frau Professor Dr. Heidrun Behrendt,
Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und
Klinische Immunologie (DGAKI): "Es sieht tatsächlich so aus, als führe
bei manchen Menschen erst die zusätzliche Belastung mit Dieselruß dazu,
dass sich eine Allergie entwickelt."
Städter haben öfter Allergien
Untermauert werden diese Studienergebnisse durch den Vergleich von
Menschen in städtischen Ballungsgebieten mit Personen aus ländlichen,
verkehrsarmen Regionen: Bei Städtern lassen sich häufiger allergischer
Schnupfen und Asthma-Symptome nachweisen als bei der Landbevölkerung.
Dabei wird das Allergierisiko umso größer, je stärker die
Verkehrsbelastung ist. Wer an einer Allergie leidet, sollte nach
Auskunft von Professor Behrendt einen allergologisch ausgebildeten
Facharzt aufzusuchen. Ein Allergologe kann Allergien eindeutig
diagnostizieren und eine angemessene Therapie in die Wege leiten.
"Häufig ist mithilfe der spezifischen Immuntherapie eine ursächliche
Behandlung möglich, etwa im Falle von Pollenallergien", so Behrendt.
Bei der spezifischen Immuntherapie (SIT), die auch als
Hyposensibilisierung oder "Allergie-Impfung" bezeichnet wird, injiziert
der Arzt dem Patienten über einen längeren Zeitraum Lösungen, die die
Substanz enthalten, auf die dieser allergisch reagiert. Behrendt:
"Dadurch kann sich das Immunsystem an die Allergieauslöser gewöhnen und
setzt, zum Beispiel wenn die Pollen fliegen, keine Abwehrreaktion mehr
in Gang. Bei Pollenallergien beträgt die Erfolgsquote der Behandlung
bis zu 90 Prozent."
Dieselruß macht Pollen aggressiver
Neben seinen Wirkungen im menschlichen Organismus kann Dieselruß auch
die Allergieauslöser beeinflussen und sie aggressiver machen. "Pollen
in Industrieregionen und an viel befahrenen Straßen sind auffällig
stark an Staubpartikel aus dem Dieselruß gebunden. Dadurch werden die
allergieauslösenden Eigenschaften potenziert. Die für die allergische
Reaktion verantwortlichen Proteine, die so genannten Allergene, treten
dann vermehrt an die
Oberfläche der Pollen", erklärt Behrendt. Als Folge der
Wechselwirkungen zwischen Pollen und Dieselruß entsteht ein
gefährliches, mit großen Allergenmengen angereichertes
Staub-Luft-Gemisch. Die feinen Staubpartikel können Allergene so bis in
die kleinsten Atemwege transportieren. So werden heftige Asthmaattacken
ausgelöst. Derselbe Mechanismus wird auch für kurzfristige, regionale
Asthma-"Epidemien" verantwortlich gemacht, die nach einem Frühlings-
oder Sommergewitter immer wieder beobachtet werden: Durch den Regen
quellen die Pollen auf, brechen auseinander und setzen Allergen in
großer Menge frei. Die Allergene binden sich an die feinen
Staubpartikel, werden gemeinsam mit ihnen eingeatmet und setzen in der
Lunge die allergische Reaktion in Gang.
Auch Stickoxide und Ozon verdächtig
Einem anderen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Allergien
sind Forscher der Technischen Universität München um Dr. Ulrich Pöschl
auf der Spur. Die Wissenschaftler befassen sich mit Stickoxiden und
Ozon – beides Schadstoffe, die ebenfalls in erster Linie im
Straßenverkehr frei gesetzt werden. Offensichtlich kann eine Mischung
aus Stickoxiden und Ozon in der Luft Allergieauslöser so verändern,
dass das menschliche Immunsystem sehr rasch eine Überempfindlichkeit
gegen sie entwickelt. Die allergische Reaktion gegen diese Allergene
fällt außerdem besonders heftig aus. Wie Pöschl und seine Mitarbeiter
feststellten, sind im normalen Münchener Stadtstaub bereits 0,1 Prozent
aller Proteine (die meisten Allergene sind Proteine) durch Stickoxide
und Ozon verändert.(2) Birkenpollen, die die Forscher an einer viel
befahrenen Münchener Straßenkreuzung deponierten, wiesen nach einigen
Tagen zu zehn Prozent die allergiefördernden Eigenschaften auf. Als die
Wissenschaftler im Labor die Bedingungen eines "typischen"
Sommer-Smog-Tages mit hohen Luftkonzentrationen von Ozon und
Stickoxiden imitierten, wurden sogar bis zu 20 Prozent der Pollen
aggressiv. Demnach scheinen Luftschadstoff-Konstellationen, wie sie vor
allem an heißen Tagen in Städten vorkommen, Allergien in besonderer
Weise zu fördern.
1. Lemmen C et al.: Allergo J 2004; 13: 311-22
2. Franze T et al.: Environ Sci & Technol 2005; 39: 1673-1678