Viele
Eltern, deren Kinder an Allergien und Neurodermitis leiden sind
verunsichert, was Impfungen betrifft. Lesen Sie zu diesem Thema ein
Interview mit Frau Dr. Ley vom Deutschen Grünen Kreuz e.V.
Frage: Können Sie uns die Wirkweise von Impfstoffen erklären. Was genau passiert im Körper bei einer Impfung?
Dr. Ley: Im Körper passiert
genau dasselbe wie bei dem Kontakt mit einem Krankheitserreger: Es
werden Antikörper gebildet, die Viren oder Bakterien unschädlich machen
können. Außerdem entstehen Gedächtniszellen, die dafür sorgen, dass
sich das Immunsystem lange – oftmals sogar lebenslang – an die Viren
beziehungsweise Bakterien „erinnert“, mit denen es bereits Kontakt
hatte.
Kommt der Geimpfte irgendwann wieder mit denselben Erregern
in Kontakt, werden die Gedächtniszellen aktiv, es werden vermehrt
Antikörper gebildet, die die Eindringlinge unschädlich machen:
Der Geimpfte ist immun und erkrankt nicht. Die Vorteile der Impfung
sind, dass man den Zeitpunkt für den Kontakt mit einem Erreger wählen
kann – nämlich wenn das Immunsystem gut funktioniert – und dass die
Impfviren oder -bakterien ihre krankmachende Wirkung verloren haben.
Auf sanfte Weise zeitigen sie das gleiche Ergebnis wie eine
durchgemachte Infektionskrankheit: Schutz vor Erkrankung.
Frage: Man unterscheidet zwei Arten von Impfstoffen, Lebend- und Totimpfstoffe.
Was versteht man darunter? Welcher Impfstoff kommt zum Beispiel für welchen Impfschutz zum Einsatz?
Dr. Ley: In Lebendimpfstoffen
sind die abgeschwächten Keime enthalten. Man muss davon nur sehr
geringe Mengen geben, da die Impfkeime sich beim Geimpften vermehren
und so für die Antikörperbildung sorgen. Beispiele dafür sind die
Masern-Mumps- und Röteln- Impfungen. Hierbei handelt es sich im
Impfviren, die ihre krankmachende Wirkung verloren haben, in manchen
Fällen aber harmlose Formen der Erkrankung, zum Beispiel einen
leichten, nicht ansteckenden Ausschlag in Form von Impfmasern,
hervorrufen kann. In Totimpfstoffen sind entweder die abgetöteten
ganzen Keime enthalten oder aber nur die Teile des Erregers, die die
Antikörperbildung auslösen. Sie werden meist mehrfach gegeben und
müssen später regelmäßig aufgefrischt werden.
Tabelle:
Virusstoffe Bakterielle Impfstoffe
Lebendimpfstoffe: Gelbfieber Typhus
Masern (Schluckimpfung)
Mumps Cholera
Röteln (Schluckimpfstoff)*
Varizellen (Windpocken) * in Deutschland nicht zugelassen
Totimpfstoffe: FSME Diphtherie
Hepatitis A H. influenzae b (Hib)
Hepatitis B Typhus (Vi-Antigen)
Influenza Meningokokken
Japan-Encephalitis Pertussis
Poliomyelitis
(Spritzimpfstoff) Pneumokokken
Tollwut TetanusVirusstoffe Bakterielle
Frage: Impfen ist für viele
Eltern, besonders von Säuglingen und Kleinkindern mit Allergierisiko
und/oder bereits bestehenden Allergien und Neurodermitis ein wichtiges
Thema. Oft wird die Besorgnis geäußert, dass eine Impfung eine
Allergieentstehung fördert.
Dr. Ley: Allergien nehmen zu,
vor allem bei Kindern. Ursache sind jedoch eindeutig nicht die
Impfungen, wie oftmals behauptet. Dazu ein Beispiel: In der DDR wurden
viel mehr Kinder geimpft als in Westdeutschland. Zahlreiche
Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Allergien dort sehr viel
seltener waren als in der damaligen Bundesrepublik.
Nach 1989 wurde
auch in der ehemaligen DDR weniger geimpft, gleichzeitig nahmen
Allergien deutlich zu. Inzwischen gibt es auch in anderen Ländern
Studien, die zeigen, dass Allergien durch Impfungen nicht gefördert
werden.
Frage: Also noch einmal nachgefragt: auch Kinder mit Neurodermitis und Allergien sollen das vollständige Impfprogramm durchlaufen?
Dr. Ley: Ja, auf jeden Fall.
Allergien sprechen nicht gegen eine Impfung, denn Kinder mit Allergie
sind durch Infektionskrankheiten genauso gefährdet wie gesunde. Die
Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt für
Kinder mit schwerer Neurodermitis sogar zusätzlich zu den allgemein
empfohlenen Standardimpfungen die Impfung gegen Windpocken.
Und
wegen der Infektionsgefahr bei Kratzwunden muss besonders sorgfältig
auf einen frühzeitigen Impfschutz gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) und
Hepatitis B geachtet werden.
Das Kinder mit Allergie ebenfalls geimpft werden sollen, empfiehlt auch
das „Aktionsbündnis Allergieprävention (abap)“, das im Februar 2001 vom
Bundesgesundheitsministerium ins Leben gerufen wurde. In seinen Ende
Juli 2002 verabschiedeten Empfehlungen heißt es dazu wörtlich: „Die
Eltern sollen erfahren, dass auch allergiegefährdete Kinder und Kinder
mit allergischen Erkrankungen im erscheinungsfreien Intervall nach den
Richtlinien der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut)
geimpft werden sollen.“
Frage: Zu welchem Zeitpunkt sollte ein Säugling/Kind mit Neurodermitis in keinem Fall geimpft werden?
Dr. Ley: Mitten in einem
schweren Schub sollten alle Impfungen, die nicht lebenswichtig sind,
unterbleiben und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Lebenswichtige Impfungen sind diejenigen, die nach Kontakt mit einem
Erreger den Ausbruch der Krankheit verhindern können, zum Beispiel die
Impfung gegen Tetanus nach einer Verletzung oder die Tollwut-Impfung
nach dem Biss eines tollwutverdächtigen Tieres. Und auch nach Kontakt
mit einem Masern-Erkrankten sollte unbedingt über eine Impfung
nachgedacht werden, falls noch kein Schutz besteht.
Frage: Heißt das, dass das
empfohlene Impfalter nicht unbedingt eingehalten werden muss? Ist die
Verschiebung einer Impfung um Wochen oder gar Monate möglich?
Dr. Ley: Ja. Über den genauen
Impftermin entscheidet der Arzt/die Ärztin gemeinsam mit den Eltern.
Sinnvoll ist es jedoch, für einen frühzeitigen und vollständigen
Impfschutz zu sorgen, denn manche Krankheiten sind besonders für
Säuglinge sehr gefährlich, zum Beispiel die durch Hib (Haemophilus
influenzae Typ b) verursachten Erkrankungen (zum Beispiel
Hirnhautentzündung) oder Keuchhusten. Wenn Impfungen immer wieder
aufgeschoben werden, sind die Kinder in dieser Zeit nicht ausreichend
geschützt.
Frage: Viele Eltern fragen sich, was für das Kind besser verträglich ist, Einzel- oder Kombinationsimpfungen?
Dr. Ley: Beides ist gut
verträglich und wirksam. Die Kombinationsimpfungen haben aber den
Vorteil, dass sie weniger Begleitstoffe enthalten, weil sie seltener
gegeben werden müssen. Außerdem erspart man den Kindern damit
zahlreiche Pikse.
Frage: Welche Nebenwirkungen können nach einer Impfung auftreten?
Dr. Ley: Am häufigsten sind
Rötung und Schwellung an der Injektionsstelle sowie leichtes Fieber.
Bei Lebendimpfstoffen können auch circa eine Woche nach der Impfung
abgeschwächte Zeichen der Erkrankung, gegen die geimpft wird,
auftreten, zum Beispiel Impfmasern. Diese sind aber nicht ansteckend
und kein Grund zur Beunruhigung.
Alle diese Reaktionen zeigen
lediglich, dass sich der Körper mit dem Impfstoff auseinander
setzt.Wesentlich seltener kommt es zu den so genannten
Impfkomplikationen, die eine vorübergehende Beeinträchtigung bedeuten
und eventuell sogar einer Therapie bedürfen können (eins auf mehrere
tausend Impfungen). Unter einem Impfschaden versteht man eine bleibende
Schädigung.
Die bekannteste war sicherlich die Lähmung nach der Schluckimpfung
gegen Kinderlähmung. In jedem Jahr kames zu ein bis drei Fällen von
Impfpolio. Da dieser Impfstoff aber in Deutschland seit 1998 nicht mehr
empfohlen ist, kommt dieser Impfschaden heute nicht mehr vor. Bleibende
Impfschäden treten in einer Häufigkeit von eins auf mehrere Millionen
Impfungen auf und sind also eine absolute Rarität.
Frage: Impfstoffe enthalten
neben der eigentlichen Impfsubstanz noch sogenannte Träger- und
Hilfsstoffe wie zum Beispiel Konservierungsmittel oder auch Spuren des
Kulturmediums,auf den der Impfstoff gezüchtet wurde. Können diese
Stoffe auch eine Allergie auslösen?
Dr. Ley: In seltenen Fällen
können diese Hilfs- oder Begleitstoffe bei Geimpften, die bereits eine
Allergie auf diese Bestandteile des Impfstoffes haben, verstärkte
Lokalreaktionen auslösen. Die wichtigste bekannte
Unverträglichkeitsreaktion gibt es bei Impfstoffen, die auf Hühnereiern
gezüchtet werden, zum Beispiel dem Gelbfieber- und dem
Influenza-Impfstoff, wenn ein Mensch auf den Kontakt mit
Hühnereiweißschwere allergische Reaktionen zeigt.
Die Impfstoffe, die im Kindesalter verwendet werden, sind übrigens inzwischen alle konservierungsmittelfrei.
Frage: Auch der Impfstoff gegen
Masern, Mumps und Röteln wird auf einem Hühnerei-Medium gezüchtet.
Eltern allergiegefährdeter Kinder weichen häufig auf einen Impfstoff
aus der Schweiz aus, der nicht auf Hühnereikulturen gezüchtet ist. Ist
dies eine sinnvolle Maßnahme?
Dr. Ley: Der bei uns
zugelassene Impfstoff kann auch Kindern mit einer
Unverträglichkeitsreaktion auf Hühnereiweiß gegebenwerden, da der
Impfstoff nicht auf Hühnereiern gezüchtet wird, sondern auf
Hühnerfibroblasten-Zellkulturen.
Durch verschiedene Schritte wie
Verdünnen und Filtrieren wird der Anteil an Hühnerfibroblasten-Protein
so stark herabgesetzt, dass ein Nachweis auch mit sehr sensiblen
Labormethoden nicht mehr möglich ist. Neue Prüfungen haben daher
bestätigt, dass auch Kinder mit Hühnereiweißallergie problemlos geimpft
werden können und es nicht nötig ist, den Impfstoff aus der Schweiz zu
verwenden.
Frage: In seltenen Fällen treten nach einer Impfung Impfschäden auf.
Was ist in solchen Fällen zu tun, anwen kann man sich wenden?
Dr. Ley: Jeder Verdacht eines
Impfschadens wird von dem Impfarzt an das örtliche Gesundheitsamt und
von dort weiter an die zuständigen Stellen, zum Beispiel das Paul-
Ehrlich-Institut, die oberste Bundesbehörde für die
Arzneimittelsicherheit, weitergeleitet. Wer sich impfen lässt, schützt
auch die Allgemeinheit vor Infektionskrankheiten.
Daher sieht der Staat auch eine Entschädigung im Impfschadensfalle vor. Der Antrag dazu wird beim Versorgungsamt gestellt.
Frau Dr. Ley, wir danken Ihnen für das Interview
Dr. med. Sigrid Ley
Deutsches Grünes Kreuz e.V.
www.dgk.de
Ute Quast, Sigrid Ley: Schutzimpfungen im Dialog, Deutsches Grünes
Kreuz e.V., Verlag im KILIAN ISBN 3-932091-41-8
Heinz-J. Schmitt (Hrsg.): Impfungen für Kinder; Großer Schutz für kleine Schätze, Verlag im KILIAN ISBN 3-932091-43-4
Martin Hirte: Impfen – Pro & Contra, Knaur Verlag ISBN 3-426-87114-9
Wolfgang Goebel: Schutzimpfungen selbst verantworten; Grundlagen für eigene Entscheidungen aethera Verlag ISBN 3-7725-5012-6
Cournoyer, Cynthia: Impfschutz für Kinder? Risiken und
Alternativen; Der homöopathische Weg Natura Viva Verlag, ISBN
3-89881-523-4