Allergie-Saison 2024 beginnt besonders früh
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In der Entwicklung des Spektrums allergischer Erkrankungen über die Lebenszeit steht das Auftreten bestimmter allergischer Erkrankungen im frühen Säuglings- und Kindesalter im Vordergrund: Ganz häufig beginnen Allergien am Hautorgan als atopisches Ekzem (Neurodermitis), oft verbunden mit einer Nahrungsmittelallergie. Dann entwickelt sich das allergische Asthma, später der Heuschnupfen (allergische Rhinokonjunktivitis, die häufigste Allergie im jungen Erwachsenenalter). Bei vielen Patienten klingen die allergischen Erkrankungen mit zunehmendem Lebensalter langsam ab. In alten Textbüchern kann man lesen, dass im Alter über 50 Jahren Allergien kaum anzutreffen seien. Dies hat sich grundlegend geändert.
Es gibt immer mehr und auch immer schwerere allergische Erkrankungen bei älteren Menschen.
Am Beispiel des atopischen Ekzems konnte gezeigt werden, dass lediglich ein Drittel der Patienten in der Langzeitnachbeobachtung die Krankheit im Kindesalter dauerhaft verlieren, bei einem weiteren Drittel kommt es nach der Pubertät oder im Erwachsenenalter zu einem Wiederauftreten, ein Drittel der Patienten leidet kontinuierlich von Kindheit an bis hinein ins Erwachsenenalter an der Krankheit. Häufigkeitsschätzungen gehen von drei bis fünf Prozent erwachsener Patienten mit atopischem Ekzem aus. Hier ist mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen, da die starken Anstiege in der Prävalenz der Neurodermitis in den 90er Jahren hauptsächlich an fünf- bis sechsjährigen Einschulungskindern diagnostiziert wurden.
Dazu kommt, dass allergische Erkrankungen im Alter häufig nicht erkannt – da nicht vermutet – und deshalb insuffizient behandelt werden. Wegen der gleichzeitigen Zunahme von Komorbiditäten – zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen – im höheren Lebensalter stellen sich häufiger Probleme eventueller Kontraindikationen bestimmter Behandlungsverfahren wie zum Beispiel der allergie-spezifischen Immuntherapie (ASIT) bei Patienten mit Grunderkrankungen oder unter Behandlung mit Beta-Blockern. Dabei stellt ein höheres Lebensalter keine Kontraindikation für eine ASIT dar. Es gibt z.B. Patienten mit lebensbedrohlichen Insektengiftallergien, die auch im 80. Lebensjahr erfolgreich hyposensibilisiert werden konnten.
Aber auch die häufiger werdenden Nahrungsmittel- und Arzneimittel-Überempfindlichkeiten betreffen immer mehr alte Menschen. Studien aus Öster-reich und Ungarn zeigen erschreckende Anstiege von Nahrungsmittelallergien bei Bewohnern von Altenheimen, die dauerhaft mit Säureinhibitoren (Protonenpumpen-Inhibitoren) behandelt werden.
Die schwersten Formen von Arzneimittelreaktionen betreffen das Hautorgan in Form von schweren bullösen (= mit Blasenbildung einhergehenden) Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom oder toxisch-epidermale Nekrolyse, Lyell’s Syndrom), des Drug-Related Eosinophil Sensitivity Syndrom („DRESS“) und der Akuten Generalisierten Exanthematischen Pustulose („AGEP“), die bei multimorbiden Patienten mit vielfältiger Pharmakotherapie im höheren Lebensalter immer häufiger werden.
Auch die Koinzidenz von allergischen Erkrankungen und Krebserkrankung war früher eine Rarität und wird jetzt häufiger beobachtet: Die Krebserkrankung tritt früher auf, die Allergien bleiben länger oder erfassen auch ältere Menschen.
Deshalb stellen die Überempfindlichkeitsreaktionen auf Zytostatika und Chemotherapeutika, die zum Teil lebensrettenden Charakter besitzen, ein zunehmendes Problem in der Allergologie dar. Besonders häufig bei älteren Menschen sind auch Kontaktallergien, die im mittleren Lebensalter zu den häufigsten Auslösern von Berufserkrankungen gehören und im höheren Lebensalter durch Polypragmasie (= therapeutisches oder diagnostisches Vorgehen, das durch eine große Zahl verschiedener, unkoordinierter ärztlicher Maßnahmen gekennzeichnet ist) insbesondere bei chronisch-venöser Insuffizienz und Applikation verschiedenster Externa für Kosmetik oder Therapie oft große Probleme für den praktizierenden Arzt darstellen.
Allergien hören im Alter nicht auf, sie wandeln sich in ihrer Erscheinung, sind oft schwerer zu diagnostizieren und auch schwieriger zu behandeln. Eine interdisziplinäre Kooperation der verschiedenen Fächer in der Betreuung alter Menschen mit Allergologen ist absolut zu fordern.
Pressekonferenz zum 7. Deutschen Allergiekongress am 11. bis 13. Oktober 2012 in München
Prof. Dr. med. Dr. phil. Johannes Ring, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München
Tagungspräsident des 7. Deutschen Allergiekongresses (mit Prof. Dr. C.P. Bauer)
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